X-Komma-Null-Viereinhalb

X-Komma-Null-Viereinhalb

 

„Ich lebe in vollkommener Harmonie und Reichtum, ich bin Millionär, ich bin Millionär.“

Immer wieder plapperte ich den Satz vor mich hin und betrachtete dabei den Mahnbescheid vor mir. In der linken Hand hielt ich den Bestseller über positives Denken, der mir den Weg in die absolute Wunscherfüllung zeigen sollte, und mit der rechten schob ich mir genervt eine Zigarette zwischen die Lippen. Doch der Bescheid vom Amtsgericht verschwand nicht. Er löste sich einfach nicht auf.

Ich beschloss, etwas tiefer in die esoterische Trickkiste zu greifen, eilte zu meinem Schreibtisch und zog ein Blatt Papier aus dem Drucker. Schnell zeichnete ich in der Mitte eine Gerade und teilte das Blatt so in zwei Hälften auf. Die Gerade stellte nun die Linie für die Gegenwart dar, für das Jetzt! Den Mahnbescheid positionierte ich nun links von der Gegenwart und rechts davon einen Euro, der mir als Symbol für das Geld aus der Zukunft dienen sollte. Nun zentrierte ich meine ganze Aufmerksamkeit auf diese Gegenwartslinie, bewegte den Mahnbescheid langsam auf sie zu und tat das Gleiche mit dem Euro-Stück, bis beide, Mahnbescheid und Euro, genau im Jetzt aufeinander trafen. Geldsorgen und Geldmittel hatten sich damit vereinigt.

Ich nahm noch einen tiefen Zug aus meiner Zigarette, drückte sie im Ascher aus und schob eine CD mit Entspannungsmusik in meinen Player. Dann legte ich mich auf die Couch im Wohnzimmer. Es ging nun darum, mich und meine Gedanken in die notwendige Geldschwingung zu bringen, damit nach dem Gesetz der gleichen Schwingung das Geld auch zu mir finden konnte. Bei leiser Musik konzentrierte ich mich zunächst auf meinen Atem, spürte in meinen Körper hinein und legte dann meine Hände über die Augen, wie ich es bei meiner Reiki-Einweihung gelernt hatte. Danach kam die zweite Handposition aus dem Reiki und die Hände lagen auf der Schläfe. Weiter ging es zum Hinterkopf, hoch zum Scheitelchakra und dann schrittweise hinunter bis zum Wurzelchakra. Überall in meinen Körper ließ ich die universelle Lebensenergie nach dem System von Dr.Usui fließen. Alles war in Fluss, alles floss, ‚penta rei‘ eben.

Fast wäre ich dabei eingeschlafen, doch das schrille Läuten der Türglocke riss mich aus meinen mentalen Schwingungen: der Gerichtsvollzieher. Er hatte sich angemeldet, schriftlich, durch einen Hinweis im Briefkasten, weil er mich am Vortag nicht zuhause angetroffen hatte. Es ging wieder einmal um nicht bezahlte Strafzettel wegen Falschparkens und wenige Minuten später wechselten rund hundert Euro den Besitzer. Ich war stocksauer, hatte ich doch tatsächlich, wie es dieser Josef mit seinem Buch über die richtige Denkweise geschrieben hatte, den ganzen Tag über nur gute Gedanken gedacht. Und dann so etwas: Mahnbescheid, Gerichtsvollzieher, Geld weg!

Der Herr verließ wenig später meine Wohnung,. nicht ohne mir vorher mitzuteilen, er werde noch weitere Eintreibungen gegen mich vornehmen und bezüglich dieser Angelegenheiten nochmals auf mich zukommen.. Ich eilte zum Telefon und wählte direkt durch.

 

Angenehm drang die freundliche Stimme an mein Ohr „Spirituelle Weltauskunft Sektion Deutschland. Mein Name ist Anita Meyerbrand. Was kann ich für Sie tun?“ „Herbeldinger, Guten Tag! Ich brauche eine Auskunft zum bevorstehenden Weltuntergang. Wann genau findet der nun statt?“

„Ihre Kundennummer bitte zunächst, Herr Herbeldinger.. – Und ihr Spezialgebiet.“

„X-komma-null-viereinhalb. Ich bin hunareikiorientiert mit hermetischem Quertouch.“

Ich hörte wie ihre Finger schnell über die Tastatur huschten und sie meine Daten in ihren PC eingab.

„Herr Georg Herbeldinger, richtig?“

„Richtig!“

„Nun, Herr Herbeldinger, zurzeit liegen uns keine gesicherten Erkenntnisse für dieses Jahr vor. Wir haben zwar hier zwei Channelmeldungen, die allerdings etwas auseinander liegen.“

„Was heißt das?“

„Tja, Anfang Juli dieses Jahres könnte der Weltuntergang eintreten. Dafür stehen allerdings noch keine Transportschiffe für unsere Mitglieder bereit. Der Massenselbstmord ist auch noch nicht eingeplant.“

„Und was ist mit der zweiten Channelmeldung?“

„Nach dieser ist mit einem solchen Ereignis erst in ungefähr zehn Jahren zu rechnen. Wie alt sind Sie, Herr Herbeldinger?“

„Fünfzig!“

„Dann gehören Sie zu unserem ausgewählten Kundenkreis und ich könnte Ihnen ein Angebot von ‚Spirituelle Weltauskunft Sektion Deutschland’ unterbreiten, das wir gerade für Kunden Ihrer Altersklasse konzipiert haben. Wenn Sie noch ein paar Minuten Zeit hätten, Herr Herbeldinger?“

Ich sog hörbar die Luft durch die Nasenflügel.

„Ich möchte jetzt kein Sonderangebot. Mir steht das Wasser bis zum Hals.“

Sie schwieg.

„Bei mir häufen sich die Rechnungen und ich muss dringend wissen, ob ich Wege finden muss, diese zu begleichen, oder ob sich das alles erübrigt wegen des Weltunterganges.“

„Unabhängig davon“, versuchte es Anita Meyerbrand weiter, „schätzen wir uns als ‚Spirituelle Weltauskunft Sektion Deutschland’ glücklich, nun auch den Reinkarnationsverein mit Sitz in Köln zu unseren Mitgliedern zählen zu dürfen. Haben Sie davon schon einmal etwas gehört, Herr Herbeldinger?“

„Nein!“

„Nun, Herr Herbeldinger, der Reinkarnationsverein hat sich angeboten, die Verwaltung des Vermögens unserer Einzelmitglieder bis zu deren Wiederkehr, also bis zu ihrer erneuten Inkarnation, zu verwalten.“

„Ich habe kein Vermögen.“

„Wir bieten Ihnen diesen besonderen Service für nur zwei Euro zusätzlich zu Ihrem jetzigen Mitgliedsbeitrag an.“

„Hören Sie…“

„Ja, ich weiß, Herr Herbeldinger, der Weltuntergang.“

„Genau! Können Sie mir da keine ernsthaften Auskünfte geben?“

„Alles, was wir anbieten ist ernsthaft, Herr Herbeldinger.“

„Deshalb rufe ich Sie ja an.“

„Vielleicht probieren Sie es einmal mit einem Medium. Das ist für Sie kostenlos und wird über Ihren Monatsbeitrag abgedeckt. Wir haben zwei Medien, die jederzeit channeln können. Ohne große Ritualsvorbereitungen.“

„Sind das die zwei mit den unterschiedlichen Meldungen?“

„Nein.“

„Ok, dann verbinden Sie mich.“

Es dauerte eine kleine Weile bis sich nun eine ältere Frauenstimme meldete:

„Sie sprechen mit Uritella vom Schwarzwaldverein Seat Luchs. Womit kann ich dienen?“

„Ich benötige eine sichere Channelbotschaft zum Weltuntergang:“

„Wünschen Sie den Kontakt zu einem bestimmten aufgestiegenen Meister oder zum Heiland selbst?“

„Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht.“

„Sollten Sie aber“, säuselte Uritella. “Ich habe hier eine ganze Palette von Meistern, die ich channeln kann. Und soviel Zeit steht mir nun auch nicht gerade zur Verfügung. Ich bin gerade mit meinem Badewasser beschäftigt.“

„Mit Ihrem Badewasser?“

„Ja. Ich habe doch die göttliche Botschaft bekommen, Heilwasser zu verkaufen.“

„Was hat das mit Badewasser zu tun?“

„Nach einer göttlichen Rezeptur muss ich mein Badewasser mit der linken Hand im Uhrzeigersinn umrühren. Dabei fließt die gesamte Heilenergie ins Badewasser.“

„Und das ganze lässt sich verkaufen?“

„Selbstverständlich. Ich fülle mein Badewasser in Flaschen ab. Meine Kunden sind äußerst zufrieden.“

„Das käme für mich wahrscheinlich nicht in Frage. Ich bin hunareikiorientiert. Ich bräuchte Informationen zum Weltuntergang. Kann meine Rechnungen nicht bezahlen.“

„Dann schlage ich Ihnen mal Serephinola vor. Der ist leicht zu channeln, bringt die Dinge auf den Punkt und liegt selten daneben.“

„Gut. Fangen wir an.“

„Alles was ich bräuchte, wäre nochmals Ihre Kundenummer. Und danach möchte ich Sie bitten, kurz die Augen zu schließen.“

„X-komma-null-viereinhalb, Herbeldinger.“

Ich schloss die Augen.

„Nun atmen Sie tief in Ihren Bauchraum und lassen Sie sich von Ihrem Unbewussten ein Symbol für Ihre Frage schenken.“

„Eieruhr!“

Kaum hatte ich ihr das Symbol genannt, hörte ich ein leichtes Seufzen am anderen Ende der Leitung, das nach wenigen Sekunden in immer lauter werdendes Stöhnen und Grunzen überging.

„Alles in Ordnung?“ fragte ich leicht besorgt.

Statt einer Antwort hörte ich nur den markdurchdringenden Schrei:

„Serephinola! Serephinola!“

Dann Stille. Ich wartete ungeduldig. Endlich:

„Herr Herbeldinger“, Uritella klang nun wieder ruhig und vertraut. „Die Sache gestaltet sich etwas schwierig. Seriphinola meint, es gäbe konzentrative Hemmnisse in Bezug auf Ihre Frage, da Sie offensichtlich über keinerlei Astralerfahrungen verfügen.“

„Ich bin hunareikiorientiert. Wir arbeiten fast ausschließlich energetisch.“

„Wir haben Astraltraining im Angebot. Natürlich in abgespeckter Form. Das ganze dauert nur wenige Minuten. Danach dürfte einem Kontakt mit Serephinola nichts mehr im Wege stehen.“

’Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich nun tun soll’, schoss es mir durch den Kopf. ‚Meine Rechnungen! Meine Ziele! Mein Leben überhaupt!’

„Können Sie mich verbinden?“

„Klar doch!“ Und schon klickte es in der Leitung.

„Out-Of-Body-Experience-Odenwald-Liga. Sie sprechen mit Stephan Monroe. Was kann ich für Sie tun.“

„Ich brauche einen Schnellkurs.“

„Basic?“

„Keine Ahnung.“

„Ok, dann wahrscheinlich Basic. Sind Sie schon einmal mit kosmischen Gesetzmäßigkeiten konfrontiert gewesen?“

„Ständig. Ich habe einen hermetischen Quertouch.“

„Ihre Kundennummer, bitte.“

„X-komma-null-viereinhalb.“

„Herr Hebeldinger. Ich darf Sie bitten, sich während des Schnellkurses ganz genau an meine Anweisungen zu halten. Sie haben Erfahrung im Visualisieren?“

„Selbstverständlich.“ antwortete ich sichtlich genervt.

„Dann visualisieren Sie bitte in folgender Abfolge und nach Möglichkeit ziemlich schnell: Sie sitzen in einem Unterseeboot. Zweitens: Sie befinden sich in einem Raumschiff. Drittens: Sie fliegen losgelöst von allem irdischen über den Mount Blanc. Von links nähert sich Ihnen ein brasilianischer Schmetterling. Winken Sie ihm mit der rechten Hand. – Haben Sie’s?“

„Klar doch.“

„Sehr schön. Nun kommen wir zu Ihrer eigenen Kreation. Es geht darum, dass Sie sich kurzfristig aus Ihrem Körper lösen und sich Ihrem eigenen Reiseziel nähern. Wohin möchten Sie reisen?“

„Dazu fällt mir nichts ein.“

„Dachte ich mir schon.“ meinte Stephan. “Das kommt ziemlich oft vor. Vielleicht habe ich da etwas für Sie.“

Ich hörte das Rascheln von Papier durch den Telefonhörer.

„HEBAB Ltd. in Newcastle, Herr Herbeldinger, ist das derzeit effektivste Reisebüro für Astralreisende, das wir zu äußerst günstigen Konditionen für unsere Mitglieder gewinnen konnten. Die Zusammenarbeit mit HEBAB gestaltet sich sehr angenehm.“

„Was kostet mich das?“

„Der Erstkontakt ist für Sie kostenlos.“

„Gut. Verbinden Sie mich.“

„Hello. This is HEBAB Ltd., Newcastle. We are not available at the moment – Wir sind im Moment nicht erreichbar.“

Die Verbindung wurde abrupt unterbrochen.

 

Ich öffnete das Fenster und atmete die frische Abendluft tief in meine Lungen. Gedankenverloren schaute ich ein paar Minuten in die Weiten des Abendhimmels. Dann wandte ich mich vom Fenster ab.

Mein Blick wanderte wieder hin zum Telefon, das mich so stark in seinen Bann zog.

Ich nahm den Hörer erneut ab und wählte

„Psychiatrisches Zentrum für seelische Gesundheit. Guten Abend. Was können wir für Sie tun?“

„Mein Name ist X-komma-null-viereinhalb. Ich brauche frisches Badewasser. Mein Schmetterling sitzt im U-Boot. Wie weit ist es bis zum Mont Blanc? Schicken Sie mir die Rechnung bitte.“

Es tut gut nun hier zu sein. Ich bekomme regelmäßig Frühstück, Mittagessen und Abendessen. Und jeden zweiten Mittwoch gehe ich vormittags in die Bastelgruppe.

 

(c) Rolf Höge

 

Aus meinem Buch „Freischreiben – manchmal ernst, manchmal heiter“

 

Gestalten Sei doch einmal einen ‚Besonderen Abend‘ für Ihre Gäste oder Freunde mit einer Autorenlesung.  Auf meiner Homepage finden Sie die Informationen dazu.

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Mag sein

Mag sein,
Schritte wählst du groß und
manchmal klein.

Mag sein,
schmerzhaft schreit
die Seele und
jauchzt doch stets.

Mag sein,
Mauern sperren Wege,
um Freiheit zu gewähren.

Mag sein, mag sein,

Rosen zeigen liebevolles Sehnen,
Birken spenden Schattenkühle,

lebendig endet stets und
erglüht erneut
im Leben.

© Rolf Höge

 

Lust auf eine Autorenlesung? Besuchen Sie meine Homepage

 

 

Alleine, selbständig, vorwärts wäre die Devise

Mein Vorruhestand neigt sich langsam dem Ende zu und das Rentnerdasein stellt sich in wenigen Monaten ein. Ich habe beschlossen, mich in manchen Bereichen neu zu definieren.

In den letzten zwei Jahren war ich gedanklich noch sehr mit meinem ehemaligen Beruf und den Funktionen, die ich ausübte, verbunden. Davon gilt es sich zu lösen und neue Wege zu gehen. Zum einen über kreatives Schaffen zum anderen über Reisen und Ruhe finden.

Momentan bereitet mir das kreative Schaffen etwas Probleme. Gerade auf diesem Gebiet bin ich am Lernen, am Sammeln von neuen Erfahrungen und Eindrücken. Dabei stoße ich oft auf Schwierigkeiten. Kooperationen sind schwierig zu gestalten. Es ist als stochere man blind in einem Teich, ohne genau zu wissen, nach was man eigentlich sucht.

Das Schreiben ist eine wunderbare Sache, aber diszipliniertes, tägliches Schreiben, steht derzeit nicht auf meinem Programm. Dazu kommt der neue oder wiederentdeckte Hang zur abstrakten Malerei, die ich bisher wenig praktizierte und mir einzelne Techniken selbst aneigne.

Es scheint eine Zeit für mich angebrochen, die einerseits sehr spannend ist andererseits aber auch meine Unerfahrenheit in Eigenwerbung und zielgerichtetem, strategischem Handeln widerspiegelt.

Spontanität war für mich immer wichtig. In meinem Beruf musste ich innerhalb eines bestimmten Rahmens sehr oft spontane Entscheidungen treffen, ohne mich vorher absprechen zu können. Ich bin es also gewohnt, dass in kniffligen Situationen kaum jemand da ist, der dich an die Hand nimmt und sagt: „So geht es!“

In meinem heutigen arbeitsfreien Leben fällt es mir mitunter schwer, den eigenen Rahmen für meine Entscheidungen zu definieren, und ohne Rahmen stochert man dann eben in einem trüben Teich.

Dies wirkt sich zwar nicht auf meine Kreativität aus, Bilder und Texte entstehen nach wie vor rasch, aber es ist nicht zielführend für die Außenwirkung meiner Kreativität. Sinnbildlich beschränkt sich die Außenwirkung meiner Kreativität momentan auf einen Radius von drei Metern, nämlich meinen Arbeitsbereich am PC oder meinen Küchentisch, der mir als eine Art Staffelei dient, wenn mich das Bildgestaltungsmonster mal wieder angefallen hat und mir ein Acrylbild auf Leinwand abringt.

Ich habe keine Erfahrung im Aufbau von Netzwerken, keine Erfahrung in Selbstvermarktung. Stellt sich mir die Frage, ob ich das so will und mit diesen Erkenntnissen die nächsten Jahre lebe oder ob ich das ändere und mich in irgendeiner Form ins kreative Spiel einbringe. Dann müsste ich etwas ändern, denn mit einer Homepage alleine und mit Zugehörigkeit zu Künstlergruppen ist es da nicht getan.

Alleine, selbsttätig, vorwärts wäre die Devise., denn mit Support ist es oft nicht weit her. Was andere tun, erfährt man oft erst, wenn es gelaufen ist und keine Mitspielmöglichkeit mehr besteht. Über vier, fünf Ecken zufällig an eine Lesung oder Ausstellung zu kommen, ist nicht mein Weg, wenn ich kreativ mitspielen will. Aber ich liebe ja auch das Rentnerdasein und damit das Nichtstun. So befinde ich mich manchmal in einem Dilemma: gebe ich Gas oder genieße ich die Ruhe. Und doch: vielleicht kann ich beides verbinden.

 

Rolf Höge

 

Gedanken zur Kunst

 Da ich wegen meiner Homepage oft gefragt werde, was für mich das Schreiben und insbesondere Kunst bedeute, möchte ich hier meine Gedanken zur Kunst zusammenfassen.

Kunst gleicht für mich einer Geburt dessen, was wir an Eindrücken, Erlebnissen und Gefühlen aus der Umwelt aufnehmen. Dies wird unbewusst verarbeitet, transformiert und als etwas neu Geschaffenes wieder an die Außenwelt zurückgegeben.

Innere Glaubenssätze, frühe Prägungen, Wahrnehmungsfilter, aber auch die jeweilige Tagesverfassung beeinflussen dabei den inneren Verarbeitungsprozess und mit jedem Kunstwerk, das geschaffen wird, ist etwas Neues, Individuelles geboren worden.

Diesen inneren Prozessen durch gestalterisches Wirken – gleich welcher Art – Ausdruck zu verleihen, bedeutet für mich Kunst. Viele meiner Texte wurden so geboren.

Wenn ich schreibe, male oder gestalte, wenn ich eigene Songs zur Gitarre singe, wenn ich Text und Bild zusammenbringe, bin ich in Kontakt mit mir und dem, was in mir ist. Ich erlebe das als etwas sehr Persönliches, Eigenes und ich bin durchaus geneigt, diese Prozesse als meine individuelle, spirituelle Erfahrung zu bezeichnen. Eine andere Definition dafür finde ich zurzeit nicht.

Rolf Höge

Schön, wenn ihr zu mir findet

Nun beginne ich auch auf meiner eigentlichen Homepage zu bloggen.  Manche Leser störte der Blogname ‘Laienautor‘.  Also habe ich beschlossen, zweigleisig zu fahren: ich schreibe sowohl auf dem einen wie auf dem anderen Blog. Was nicht heißen soll, dass die Blogeinträge identisch sein werden. Gerne verweise ich dabei auch auf meinen Ratgeber „Trocken. Was nun? – Wege in eine zufriedene Abstinenz„. Sicherlich können auch Auszüge aus diesem Buch interessant sein und ich werde das in meinen Blogeinträgen berücksichtigen.

Aber hauptsächlich will ich auf  meiner Homepage in unregelmäßigen Abständen mitteilen, was mir so im Kopf herumschwirrt und auf diese Weise meine Gedanken ‚freilassen‘, den Kopf freischreiben von Gedankenflut, von Blitzlichtern im Kopf. Auf die gleiche Weise entstanden meine Lesetexte, die zum Nachdenken anregen dürfen, aber auch das Schmunzeln nicht außer Acht lassen.

Meine freigelassenen Gedanken, niedergeschrieben in Kurzgeschichten, Glossen und Gedichte ermöglichen mir während einer Autorenlesung die Begegnung zum Leser. In meinem Buch „Freischreiben“ habe ich Texte, die so entstanden sind, zusammengetragen und unter der ISBN-10: 3745094352 veröffentlicht.

Da ich in Mannheim geboren bin und perfekt „Monnemerisch“ spreche, sind in „Freischreiben“ auch Gedichte und Prosa in diesem Dialekt zu finden, wie beispielsweise das Gedicht „Vun de Sunn“

Donn gucke mer mol, ob’s hiehaut. (Sehen wir mal, ob es funktioniert). Ich würde mich freuen, wenn ihr den Weg auf meine Homepage finden würdet.

Herzliche Grüße Rolf

 

 

 

 

„Laienautor“, weshalb ich mich so nenne

Eigentlich bin ich es ja leid, mich in sozialen Netzwerken oder in Foren erklären zu müssen, weil sich irgendjemand an dem Ausdruck ‚Laienautor‘ hochschaukelt. Trotzdem will ich meine Absicht hinter diesem Ausdruck nochmals verdeutlichen und zwar hier auf meinem Blog.

  1. Mein Blog heißt Laienautor, nicht Hobby-Schriftsteller. Ich betreibe das Schreiben nicht als Zeitvertreib. Ich war in den 80ern Mitglied der Werkstatt Mannheim im „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“. Da konnte ich einiges über Arbeit am Text lernen. Auch die Räuber77 in Mannheim sind mir nicht fremd, weil ich da auch für kurze Zeit mitwirkte. In örtlichen Schreibwerkstätten und Literaturkreisen bin ich auch aufgetaucht, an Lesebühnen wie die ‚Spätlese‘ im Felina-Theater nehme ich gerne teil. – Ich würde mich allerdings nie als Schriftsteller oder ähnliches bezeichnen. Ein Schriftsteller aus meiner Sicht lebt von seiner Schreibe. Er schreibt Bücher, die er verkauft, Drehbücher, Bühnenstücke und vieles mehr. Das alles tue ich nicht. Wenn ich von meiner Schreibe leben müsste, würde ich verhungern. Also bin ich Laie.
  2. Vielleicht nochmal etwas deutlicher an einem anderen Beispiel: in der Ecke meines Wohnzimmers steht eine Gitarre. Manchmal spiele ich darauf zum Zeitvertreib. Ich habe hier auch einen kleinen Verstärker. Manchmal schließe ich da ein Mikrofon an und singe da hinein. Meist Lieder in Mundart, die ich mal geschrieben habe. Das ist lustig, das kommt gut an. In der Familie, im Freundeskreis und als kleine Einlage auch mal in einer Lesung. – Ich kann kaum Noten lesen und nur ganz wenige Akkorde auf der Klampfe sicher greifen. Von der Technik habe ich absolut keine Ahnung. Ich würde mich also niemals als „Musiker“ bezeichnen und genauso wenig als „Laie“, weil ich mich mit dem „Handwerk des Musizierens“ niemals beschäftigt habe. Mit dem Schreiben allerdings schon.
  3. Ein ‚Laienprediger‘ beispielsweise muss zum einen in seiner Religion zuhause sein und etwas vom Predigen verstehen, sonst braucht er erst gar nicht anzufangen. Er ist also kein „Prediger zweiter Klasse“, sondern verdient damit lediglich kein Geld. Er ist Laie.

Ich nutze die Bezeichnung ‚Laienautor‘ also nicht für ‚fishing for compliments‘ oder weil ich etwas Nachsicht mit meinen Texten erwarte. Damit kann ich absolut nichts anfangen, weil sie mich beim Schreiben in keiner Weise weiterbringen. Das braucht man mir erst gar nicht zu unterstellen. Wie jeder, der schriebt, bin ich auf konstruktive Kritik angewiesen, nicht auf Verriss.

Ich hätte aber nie gedacht, dass man mir in sozialen Netzwerken oder Schreibforen allein aufgrund der Namensbezeichnung unlautere Absichten unterstellt, ohne überhaupt erst einen Text von mir gelesen zu haben.

Wer sich trotz allem daran stört, kann ja auch meine Homepage besuchen www.rolf-hoege.de

 

Einst und einmal

 

Einst

puhlte ich mit kleinen Fingern

Dreck aus Holzbodenfugen.

Einst

sprang ich im Hinterhof in Wasserpfützen,

spritzte Schlamm aufs weiße Hemd.

 

Einst küsste ich, einst lachte ich,

einst liebte ich,

einst

brach so oft mein Herz.

 

Einst

stand ich aufrecht dort im Sturm

und suchte einsam meine Tränen.

Einst gelang mir viel und manchmal wenig,

doch stets genug um weiter meinen Weg zu gehen.

 

Vielleicht

wird es einmal

sein wie einst,

als ich noch keinen Schritt gewagt,

als ich noch heimlich Äste brach,

um Pfeil und Bogen mir zu bauen,

als mir so manches Wort noch fehlte

für sündige Gedanken.

 

Doch einmal dann

wird einst

vergangen sein und nichts

wird mehr geschehen –

einmal.

 

So komm,

wirf mir das Leben zu,

lass in den Wind uns spucken,

lass uns mit Krücken tanzen, denn

einmal

wird

einst

vergangen sein

und nichts wird mehr geschehen –

einmal.

 

© Rolf Höge

 

 

 

 

entfremdet

weit weg

von dir selbst

eiertanz und halligalli

rummel, festchen, tralala

 

auf geht‘s

glaub nur, das wärst du

und

gib dir selbst den namen

 

die sonne weicht dem herbst

und einsamkeit klopft

an die tür

 

schön

sich dort wieder zu finden /rh

Wer weiß das schon

Wer sagt denn, etwas müsse so sein, wie es zu sein hat? Kennst du ein Gesetz, ein Regelwerk oder zumindest eine Gesetzmäßigkeit, die verbindlich festlegt, wie Dinge zu sein haben, damit sie so sind, wie sie zu sein haben?

Du willst, dass ich aufhöre zu philosophieren, weil du das nicht mehr hören willst, weil du nicht mehr diskutieren willst über die Dinge?

Es liegt doch auf der Hand, wie etwas ist, das weiß doch jeder, sagst du. Jeder weiß, wie etwas zu sein hat. Und wenn er es doch nicht weiß, dann kann er es ja lernen, wie es zu sein hat, meinst du. Und dann ist es eben so, wie es ist, und wahrscheinlich ist es dann auch so, wie es zu sein hätte, vorher und danach auch wieder, nachdem es dann gelernt wurde. Dann ist es wieder so, wie es zu sein hat.

Alles kann man lernen, auch wie die Dinge sind, kann man lernen. Das sieht man doch, das muss man nur annehmen, sagst du.

Vielleicht können aber nicht alle annehmen, wie es für dich zu sein hat, weil sie es anders beigebracht bekommen haben, wie etwas zu sein hat? Wie ist es denn dann, wie wäre es denn dann, wie hätte es denn dann so zu sein, wenn jemand sagt, etwas müsse so sein, wie es zu sein hat? Ist es dann so wie es ist oder wieder bloß, wie es zu sein hat? Wer weiß das schon, wenn niemand festgelegt hat, wie etwas sein muss, damit es so ist, wie es zu sein hat.

© Rolf Höge

Höher als alle Vernunft

Stell dir vor, aus irgendeinem Grund kommst du von deinem Weg ab und läufst mitten hinein in ein weites Feld aus Kot und Abfall, einem stinkenden Sumpf, der die Beine schwer macht und Kraft kostet. Doch du gehst weiter und mit jedem Meter nimmst du diesen beißenden Geruch nicht mehr so wahr, bis er schließlich ganz verschwindet. Du marschierst zielstrebig geradeaus und irgendwann wird das Gehen auf diesem Weg für dich zur Normalität. Plötzlich begegnen dir Menschen. Du spürst, sie wollen dich von irgendetwas wegholen, dir etwas zeigen, und sie rufen dir zu, es gebe noch einen anderen Weg ganz in der Nähe. Sie verstehen nicht, weshalb du die Nase rümpfst und verbittert im Gestank läufst.

Und da machst du sie zu deinen Gegnern, die dich vom Weg abbringen wollen, der doch deiner ist. Gegner, die dich belehren wollen, dir ihre Wahrheit überstülpen wollen. Und Recht hast du, es ist dein Weg, du hattest dich einmal dafür entschieden, ihn zu gehen, dann aber vergessen, dass du ihn eigentlich nie gehen wolltest. Von da an hast du alles vermieden, die Richtung wieder zu ändern, unterdrücktest jede aufkommende Übelkeit, nahmst den Gestank von Kot in Kauf und rechtfertigtest dies in deinen Gedanken für dich so lange, bis dieser Weg für dich zur Normalität geworden ist.

Du wirst diese Normalität kaum verlassen können, so lange du nicht vertraust, dass da noch etwas anderes existiert für dich, etwas, was du kennst, irgendwie fühlst, aber nicht mehr benennen kannst. Solange du ausgestreckte Hände als Bedrohung interpretierst und Menschen, die von einer anderen Realität, einem anderen Weg, einem anderen Leben erzählen als Gegner verstehst, wirst du weiter in der Kloake laufen, womöglich irgendwann erwachen und um dich herum stinkt es.

Manchmal bedarf es eben eines Stück Vertrauens. Menschen, die dir so im Laufe der Zeit auf dem eingeschlagenen Lebensweg begegnen, können Impulse sein, einmal etwas anderes auszuprobieren. Du musst nicht auf ihren Wegen wandeln, eher vielleicht dein Feindbild vom Gegner für dich neu überdenken.

Und dann hör in dich hinein, schule dich im Fühlen und vielleicht wirst du da etwas hören oder empfinden, was dir zuflüstert: „Vertrau!“Manche nennen das Glauben andere Urvertrauen und wieder andere Wissen, mit dem Verstand kaum zu begreifen, denn es scheint ‚höher als alle Vernunft‘.

(c) Rolf Höge

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