Im „Hier und Jetzt“ oder anderswo ?

Kürzlich sagte mir jemand, ich müsse mehr im ‚Hier‘ und im ‚Jetzt‘ leben, ich sei zu sehr in Gedankenstrukturen gefangen, die sich mit Zukünftigem oder Vergangenem beschäftigen. – Ja, ich kenne solche Sätze, habe sie selbst lange Jahre immer wieder zu Klienten gesagt. Selbst in einem meiner Gedichte kommt das ‚Hier und Jetzt‘ vor, in dem ich verbleiben will.

Doch gibt es objektiv etwas anderes als diese Gegenwärtigkeit? Ich meine nicht die Gewahrsamkeit, diese Bewusstheit über meiner Gedankengänge. Meiner Meinung nach gibt es nur das ‚Hier‘ und nur das ‚Jetzt‘ , egal, wo ich mich befinde oder um welche Thematik meine Gedanken kreisen. Meine Gedanken kreisen eben im ‚Hier und Jetzt‘, was ich tue, tue ich im ‚Hier und Jetzt‘, immer und überall. Nur fehlt mir manchmal die Aufmerksamkeit dafür, wo ich mit meiner Denke gerade festklebe.

Klingt das aussichtslos? Klingt das so als müsse man sich weiter das Gehirn zermartern, willenlos sinnieren, sich in vergangenem Leid oder zukünftigen Ängsten verlieren? Nein, für mich nicht. Mir geht es um das Unterbrechen solcher Gedankenströme, um das bewusste Wahrnehmen, wo der Fokus meiner Aufmerksamkeit gerade liegt.

Dann bin ich nicht ‚willenlos‘, denn dann habe ich die Freiheit der Entscheidung zurückgewonnen, kann mich mit dem Leid oder meiner Angst auseinandersetzen oder eben nur meinen Atem wahrnehmen. Ganz wie ich will. /rh

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Höher als alle Vernunft

Stell dir vor, aus irgendeinem Grund kommst du von deinem Weg ab und läufst mitten hinein in ein weites Feld aus Kot und Abfall, einem stinkenden Sumpf, der die Beine schwer macht und Kraft kostet. Doch du gehst weiter und mit jedem Meter nimmst du diesen beißenden Geruch nicht mehr so wahr, bis er schließlich ganz verschwindet. Du marschierst zielstrebig geradeaus und irgendwann wird das Gehen auf diesem Weg für dich zur Normalität. Plötzlich begegnen dir Menschen. Du spürst, sie wollen dich von irgendetwas wegholen, dir etwas zeigen, und sie rufen dir zu, es gebe noch einen anderen Weg ganz in der Nähe. Sie verstehen nicht, weshalb du die Nase rümpfst und verbittert im Gestank läufst.

Und da machst du sie zu deinen Gegnern, die dich vom Weg abbringen wollen, der doch deiner ist. Gegner, die dich belehren wollen, dir ihre Wahrheit überstülpen wollen. Und Recht hast du, es ist dein Weg, du hattest dich einmal dafür entschieden, ihn zu gehen, dann aber vergessen, dass du ihn eigentlich nie gehen wolltest. Von da an hast du alles vermieden, die Richtung wieder zu ändern, unterdrücktest jede aufkommende Übelkeit, nahmst den Gestank von Kot in Kauf und rechtfertigtest dies in deinen Gedanken für dich so lange, bis dieser Weg für dich zur Normalität geworden ist.

Du wirst diese Normalität kaum verlassen können, so lange du nicht vertraust, dass da noch etwas anderes existiert für dich, etwas, was du kennst, irgendwie fühlst, aber nicht mehr benennen kannst. Solange du ausgestreckte Hände als Bedrohung interpretierst und Menschen, die von einer anderen Realität, einem anderen Weg, einem anderen Leben erzählen als Gegner verstehst, wirst du weiter in der Kloake laufen, womöglich irgendwann erwachen und um dich herum stinkt es.

Manchmal bedarf es eben eines Stück Vertrauens. Menschen, die dir so im Laufe der Zeit auf dem eingeschlagenen Lebensweg begegnen, können Impulse sein, einmal etwas anderes auszuprobieren. Du musst nicht auf ihren Wegen wandeln, eher vielleicht dein Feindbild vom Gegner für dich neu überdenken.

Und dann hör in dich hinein, schule dich im Fühlen und vielleicht wirst du da etwas hören oder empfinden, was dir zuflüstert: „Vertrau!“Manche nennen das Glauben andere Urvertrauen und wieder andere Wissen, mit dem Verstand kaum zu begreifen, denn es scheint ‚höher als alle Vernunft‘.

(c) Rolf Höge

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Höher als alle Vernunft

Stell dir vor, aus irgendeinem Grund kommst du von deinem Weg ab und läufst mitten hinein in ein weites Feld aus Kot und Abfall, einem stinkenden Sumpf, der die Beine schwer macht und Kraft kostet. Doch du gehst weiter und mit jedem Meter nimmst du diesen beißenden Geruch nicht mehr so wahr, bis er schließlich ganz verschwindet. Du marschierst weiter und irgendwann wird das Gehen auf diesem Weg für dich zur Normalität. Plötzlich begegnen dir Menschen. Du spürst, sie wollen dich von irgendetwas wegholen, dir etwas zeigen, und sie rufen dir zu, es gebe noch einen anderen Weg ganz in der Nähe. Sie verstehen nicht, weshalb du die Nase rümpfst und verbittert im Gestank läufst.

Und da machst du sie zu deinen Gegnern, die dich vom Weg abbringen wollen, der doch deiner ist. Gegner, die dich belehren wollen, dir ihre Wahrheit überstülpen wollen.
Und Recht hast du, es ist dein Weg, du hattest dich einmal dafür entschieden, ihn zu gehen. Aber du hast dabei vergessen, dass du ihn eigentlich nicht gehen wolltest, aber dann alles vermieden hast, eine andere Richtung einzuschlagen. Du hast jede Übelkeit unterdrückt, den Gestank von Kot in Kauf genommen und dies in deinen Gedanken für dich so lange gerechtfertigt, bis es für dich zur Normalität geworden ist.

Du wirst diese Normalität kaum verlassen können, so lange du nicht vertraust, dass da noch etwas anderes existiert für dich, etwas, was du kennst, irgendwie fühlst, aber nicht mehr benennen kannst. Solange du ausgestreckte Hände als Bedrohung interpretierst und Menschen, die von einer anderen Realität, einem anderen Weg, einem anderen Leben erzählen als Gegner verstehst, wirst du weiter in der Kloake laufen, womöglich irgendwann erwachen und um dich herum stinkt es. Manchmal bedarf es eben eines Stück Vertrauens.

Menschen, die dir so im Laufe der Zeit auf dem eingeschlagenen Lebensweg begegnen, können Impulse sein, einmal etwas anderes auszuprobieren. Du musst nicht auf ihren Wegen wandeln, eher vielleicht dein Feindbild vom Gegner für dich neu überdenken.

Und dann hör in dich hinein, schule dich im Fühlen und vielleicht wirst du da etwas hören oder empfinden, was dir zuflüstert: „Vertrau!“

Manche nennen das Glauben andere Urvertrauen und wieder andere Wissen, mit dem Verstand kaum zu begreifen, denn es scheint ‚höher als alle Vernunft‘.

© Rolf Höge

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Über das Loslassen

Es scheint ein Ausverkauf stattzufinden. Ob in einschlägigen Lebenshilfebücher, in pseudotherapeutischen Nebenbeigesprächen oder in der Praxis erfahrener Therapeuten selbst: das Konstrukt, die Idee vom Loslassen. Wir sollen loslassen. Einfach loslassen.

Auf oft mehr als zweihundert Seiten beschäftigen sich Autoren mit dem Loslassen. Dankbare Problemjunkies reißen ihnen die Drucksachen aus der Hand und ranken sie hoch zu neuen Bestellern. „Her damit!“ ,meinen sie, „Ich will mein Problem nicht mehr, ich will es loslassen.“

Fühlst du dich einsam, verlassen, verarscht? Lass los!

Schmerzt dich die nicht mehr vorhandene Geborgenheit deiner Kindheit? Lass los!

Kommst du nicht mehr damit klar, dass du älter wirst? Lass los!

Magst du nicht mehr so sein, wie du bist? Lass los!

Niemand will zugreifen. Alle sollen loslassen, alle wollen loslassen. Wegmachen das Problem, egal wie, den Schmerz beiseite schieben: loslassen.

Doch dem Loslassen geht ein Zugreifen voraus, ein Haben-Wollen, ein Annehmen. Ich möchte es an einem Beispiel verdeutlichen: Nimm an, vor dir steht eine Tasse und ich sage zu dir: „Lass die Tasse los.“ Dir wird schnell klar, dass du die Tasse zuvor ergreifen musst, um sie dann letztendlich loslassen zu können. Eigentlich profan, eigentlich eine Allerweltsweisheit. Und doch für viele so schwer.

An der Alkoholkrankheit wird dies beispielsweise nachvollziehbar deutlich: Noch nasse Alkoholiker möchten gerne ihre Alkoholsucht loslassen, was für sie meist nichts anderes bedeutet, als saufen zu können, ohne besoffen zu sein, was natürlich nicht funktioniert. Solange die Krankheit nicht individuell angenommen wurde, kann das Schadhafte nicht losgelassen, der Weg in eine zufriedene Abstinenz nicht gegangen werden.

Auch seelische Verletzungen, Trennungsschmerz, Ängste wollen zunächst einmal angenommen, bewusst gemacht, ausgehalten werden. Im Annehmen und in ihrer Betrachtung können sie losgelassen werden, wenn sie nicht mehr benötigt werden. Und das ist eben ein Prozess. Man nimmt nichts mal so ‚nebenbei’ an, was weh tut.

Das Annehmen ist also das eigentlich schwierige, das zu Lehrende. Das Loslassen ohne Ergreifen eher eine Bücher füllende, sinnleere Angelegenheit.

© rh

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Der zweite Teil des Interviews mit Rolf Höge

Zufriedene Abstinenz – Interview mit Rolf Höge Teil 2
Der zweite Teil des Interviews mit Rolf Höge:

Der Weg in die zufriedene Abstinenz – bedeutet das letztendlich, für alle Situationen, in denen zuvor der Alkohol eine Rolle gespielt hat, neue Wege zu finden?

Es bedeutet zunächst einmal, eine Entscheidung zu treffen, nämlich die Entscheidung abstinent leben zu wollen. Damit ändert man die Blickrichtung von ‚ich will nicht mehr trinken’ hin zu ‚ich will zufrieden abstinent leben’

Wenn ich also diese Entscheidung getroffen habe, dann steht mir das ‚Lösungsmittel’ Alkohol in all den Problemsituationen nicht mehr zur Verfügung. Sich nach Stresssituationen abends gemütlich mit einem Glas Rotwein zu entspannen, taugt für einen Alkoholiker nicht als Entspannungsmethode. Sich mal eben etwas Mut anzutrinken, bevor man beispielsweise eine Frau zum Tanzen auffordert, ist ebenfalls nicht angesagt. Das Gefühl, sich ausgegrenzt zu fühlen, weil man auf Partys keinen Alkohol trinkt, kann man nicht einfach mal so wieder wegsaufen. Wenn die Entscheidung zur Abstinenz wirklich getroffen wurde, steht die Krücke Alkohol nicht mehr zur Verfügung. Und dann ist es tatsächlich so als würde man das Laufen neu lernen.

Aus diesem Grund halte ich auch Selbsthilfegruppen …

Weiter geht es auf der Seite von Sabine Feikert mit dem gesamten Interview (Teil 1+2)

Vom Entdecken und vom Suchen

Vom Etdecken und vom Suchen (aus Quo vadis, Alki – hier leicht gestrafft)

Zum achten Geburtstag bekam ich ein Fahrrad geschenkt. Mein Freund Ramon, zwei Jahre älter als ich, besaß schon lange ein Rad, und gemeinsam fuhren wir von nun an fast jeden Nachmittag kreuz und quer durch unsere Wohngegend.

Dabei hatten wir ein Lieblingsspiel: mit den Fahrrädern bereisten wir die Welt. Wir fuhren einige Meter, stiegen dann ab und erkundeten das unbekannte Gebiet. Italien, Griechenland, ganz Europa, Asien und Amerika durchquerten wir und erlebten dabei die tollsten Abenteuer. So mancher Strauch, mancher Stein, ja selbst kleine Ameisen wurden in unser Spiel mit einbezogen.

Ramon war ein sogenanntes Schlüsselkind. Seine Eltern arbeiteten tagsüber und Ramon hatte den Schlüssel für die Wohnung.
Eines Tages, als wir gerade wieder unsere Abenteuer erlebten, rief mir Ramon mit zittriger Stimme zu:
„Ich habe meine Hausschlüssel verloren!“
Demonstrativ schob er den Zeigefinger durch das Loch in der Hosentasche. Aufgeregt beeilten wir uns, die ganze Strecke noch einmal abzufahren.

Doch nun schenkten wir den fernen Ländern, den Steinen oder den Ameisen keinerlei Beachtung. Wir waren einzig auf der Suche nach den Schlüsseln. Nichts gab es für uns zu entdecken. Endlich fanden wir nach einigen Tränen die Hausschlüssel, und damit auch den Unterschied zwischen einer Entdeckungsreise und einer Suche.

© rh