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Ich streife gerade durchs Netz. Auf der Suche nach einem verwertbaren Text. Nein, natürlich kein Textklau. Aber es gibt so viel Rohmaterial an Reimen und Geschichten in manchen Internet-Foren. So wie jenes Gedicht, auf das ich zuerst stoße, und in dem zum millionsten Mal Liebeskummer und Einsamkeit abgehandelt wird. Es strotzt vor Originalität und springt mir direkt ins Auge:
‚du bist fort – an einem anderen Ort’, beginnt es. –
Wo sollte sie denn sonst sein? Wenn sie weg ist, wenn sie fort ist, dann ist sie an einem anderen Ort. Okay, es hätte noch schlimmer kommen können. Beispielsweise hätte der Autor zwischen ‚fort’ und ‚Ort’ noch ‚dort’ einfügen können. Dann ist die Liebste, um die es geht, nicht nur fort, sondern auch dort, an jenem anderen Ort.
Zwanghaftes Reimen soll ja in manchen Kreisen schon als anerkannte Krankheit gelten, für die es aber noch keinen Arzt zu geben scheint, jedenfalls nicht in diesen Foren.
Ich entnehme aus dem Reimen-um-jeden-Preis-Satz lediglich das „Du“, für mich das einzige Verwertbare an diesem Reim.
Auf meinem weiteren Streifzug durch einschlägige Schreibforen, in denen zwar jeder jeden kennt, aber niemand wirklich jemanden, ziehe ich vorbei an der sich ständig wiederholenden Frage ‚hat schon jemand mal etwas veröffentlicht?’ und stolpere dann über den nächsten Satz aus einem ‚Wintergedicht’. Muss ja wahnsinnig interessant sein, ein Wintergedicht zu schreiben. Überhaupt ziehen die Jahreszeiten manche Schreiber direkt in ihren Bann. Klar, Millionen Leser interessieren sich für Urlaubslektüre in Form von Jahreszeiten-Gedichten am Strand von Teneriffa.
Also gut, her mit dem Satz: „Der Winterwind wirbelt die Schneeflocken hoch“. Okay, mit der Flocke, dem Schnee und dem Wind ließe sich experimentieren. Du, Flocke, Schnee und Wind, notiere ich jetzt. Aber wenn schon Winter, dann nicht unbedingt der idyllische Winter mit schneebedeckten Bäumen und Hängen, Schneeflöckchen und Schlittenfahrten. Nein, ein besonderer Winter muss her. Okay, New York kommt gut. Man sieht ja oft im Fernsehen, wie die Obdachlosen sich über den selbst gebastelten Kohleöfen die Hände wärmen. Mal sehen, was ich daraus dichten kann:
New York im Winter
Es wirbelt die Flocke
im Winterwind
und Du verkaufst Schnee,
wirst reich geschwind.
Hast du keine Flocken,
bläst kalt rein der Wind,
dann hoff’, dass im Schnee
dich ein Dealer find‘.
Dann wirbelt’s dich hoch
wie die Flocke im Wind,
weil im Winter die Dealer
so großzügig sind.
Fertig und ab damit ins Forum. „Find’ ich gut, auch mal etwas Sozialkritisches hier zu lesen“, heißt es in einem Kommentar.
Und ich denke: ‚Manchmal, da tut es echt weh, nicht verstanden zu werden. ‘ (c) rh
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