Immer im Takt

Immer im Takt,

immer im Takt.

Bloß nicht taktlos,

ohne Takt

kein Rhythmus.

 
Rhythmisches Takten,

taktloser Rhythmus,

aus dem Rhythmus gebracht,

aus dem Takt geworfen –

erst vorgeworfen,

dann weggeworfen.

 

© Rolf Höge

 

 

Wer weiß das schon

Wer sagt denn, etwas müsse so sein, wie es zu sein hat? Kennst du ein Gesetz, ein Regelwerk oder zumindest eine Gesetzmäßigkeit, die verbindlich festlegt, wie Dinge zu sein haben, damit sie so sind, wie sie zu sein haben?

Du willst, dass ich aufhöre zu philosophieren, weil du das nicht mehr hören willst, weil du nicht mehr diskutieren willst über die Dinge?

Es liegt doch auf der Hand, wie etwas ist, das weiß doch jeder, sagst du. Jeder weiß, wie etwas zu sein hat. Und wenn er es doch nicht weiß, dann kann er es ja lernen, wie es zu sein hat, meinst du. Und dann ist es eben so, wie es ist, und wahrscheinlich ist es dann auch so, wie es zu sein hätte, vorher und danach auch wieder, nachdem es dann gelernt wurde. Dann ist es wieder so, wie es zu sein hat.

Alles kann man lernen, auch wie die Dinge sind, kann man lernen. Das sieht man doch, das muss man nur annehmen, sagst du.

Vielleicht können aber nicht alle annehmen, wie es für dich zu sein hat, weil sie es anders beigebracht bekommen haben, wie etwas zu sein hat? Wie ist es denn dann, wie wäre es denn dann, wie hätte es denn dann so zu sein, wenn jemand sagt, etwas müsse so sein, wie es zu sein hat? Ist es dann so wie es ist oder wieder bloß, wie es zu sein hat? Wer weiß das schon, wenn niemand festgelegt hat, wie etwas sein muss, damit es so ist, wie es zu sein hat.

© Rolf Höge

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Politik oder Masturbation

Selbst wer sich eine Zeitlang mit politischem Geschehen auseinandergesetzt hat, tut sich in den Wirren der heutigen, politischen Gemengelage schwer, Sachverhalte zu analysieren und diese differenziert zu betrachten. Wer darin kaum oder nur wenig erfahren ist, sucht schnell nach der Schublade, in die sich solche gehäuft auftretenden Schreckens-Ereignisse stecken lassen. So entstehen einerseits Gutmenschen und andererseits populistische Parolen-Schreier.

Es vereinfacht vieles. Das Muster „Brot und Spiele“, mit dem man sich in seiner Komfort-Zone halten ließ, ist durch Terroranschläge in Europa plötzlich unterbrochen, Orientierung für das eigene Wohlgefühl geht verloren, und es wird scheinbarer Halt gesucht an Schlagzeilen oder politischen Rändern.

Das ist stets so, wenn etwas aus dem Gleichgewicht gerät. Die Pendel schlagen derzeit groß aus. Ob Attentäter oder Terrorist: ein ekelerregendes Entertainment fürs Heimkino auf der Couch. Mehr als 1500 Tötungsdelikte im Jahr in Deutschland erzeugen nicht so viel Angst und Unsicherheit wie eine einzelne terroristische Tat oder ein Amoklauf. Das ruft diejenigen auf den Plan, die Schubladen anbieten, die schnell Schuldige benennen oder Sofortlösungen parat haben. Anstatt einfach einmal die Fresse zu halten und den Menschen ihre Trauer zu belassen, machen sie Wahlpropaganda.

Ich wähle weder eine Partei, die aus der jetzigen Situation Nutzen ziehen will, noch eine Partei, die über ihre eigene Urheberschaft hinweg sieht. Alle wussten von Leid, von Not, von Armut, von Hunger, vom Sterben, von Krieg und von Elend. Kriege entstehen nicht durch Unwissen, und Flüchtlingsströme auch nicht! Wir diskutieren über die falschen Themen, über Sätze, über Worte und klagen an.

Eine Diskussion über den Satz „Wir schaffen das“ ist nichts anderes als eine Schubladenproduktion, eine falsche Anklage. Selbstverständlich schaffen wir das, weil wir es schaffen müssen, sonst schafft es uns. Die Fragen müsste lauten: Weshalb habt ihr mitgewirkt am Entstehen von Hunger, Armut, Sterben, Krieg und Elend? Weshalb habt ihr zugelassen, dass Menschen flüchten müssen? Welchen Teil habt ihr dazu beigetragen, dass Flüchtlingsströme entstehen? Wie wurde mit eurer Hilfe der internationale Terrorismus in die Welt gebracht?

Manche unterscheiden zwischen einem „politischen Islam“ und einem „friedlichen Islam“. Das kann man durchaus so sehen. Ich gehe davon aus, dass mein muslimischer Kollege ein friedlicher Mensch ist und mir nicht den Kopf abschlagen will. Trotzdem empfinde ich das Wort Frieden in einer Welt-Religion gerade etwas deplatziert.

„Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das ist der Vergeltungsleitsatz einer christlichen, US-amerikanischen Gesellschaft, in der die Waffen-Lobby mehr Einfluss hat als der Präsident. Geschundene, geschlagene Bauern zeigen die Handschrift der buddhistischen Lamas in Nepal, und das Schwert ist die Waffe des Heiligen Krieges im Islam im Feldzug gegen Ungläubige.

Ob Frauendiskriminierung, Intoleranz, Arbeitnehmerdiskriminierung oder Kampaufrufe: Religion ist immer „politisch“, weil sie mit Macht einhergeht, mit Mission, mit Unterwerfung, mit Regelwerk.

Was geschieht in der Politik? Ich bin noch vor dem Mauerfall aus der kommunistischen Partei ausgetreten, weil mir bewusst wurde: wer auf Menschen schießt, die vor ihm wegrennen, darf sich nicht Sozialist nennen. Was sie ‚predigten‘ rechtfertigte nicht einmal, das Wort „Sozialismus“ zu buchstabieren.

Heute möchten manche gerne wieder auf Menschen schießen, auf Menschen, die Hilfe suchend auf sie zu rennen. Ich sehe darin keinen Unterschied. Beides ist inakzeptabel, beides ekelt mich an. Deshalb sind Parteien für mich heute kein Maßstab mehr für meinen politischen Standpunkt. Für mich ist wichtig, welchen ethischen, inneren Standpunkt ich für mich persönlich einnehme. Und da ist eben Rassismus und Fremdenhass tabu.

Das heißt aber nicht, dass man unter dem Mantel von Fremdenfreundlichkeit und Flüchtlingshilfe die Augen schließen soll vor den Gefahren, die uns nun in Europa erreichen: für die Geburt von „Gottes-Kriegern“ wurde schon in den 80er Jahren gesorgt durch expansive Politik, durch den Run auf Rohstoffe, durch das Ausbluten von Märkten, durch Feindbilder und ‚Verbündeten-Pflege‘. Bildungsarmut, Perspektivlosigkeit sowie ein menschenverachtender, ausufernder Kapitalismus ist der Nährboden, auf dem sowohl politische wie auch religiöse Hass-Prediger ihre Saat aufgehen lassen.

Was uns heute an Gewalt begegnet, ist symptomatisch für eine polarisierende Weltpolitik, in der das Menschsein aufgerieben und gering geschätzt wird. Die reine Symptombetrachtung reicht für Veränderung nicht aus, sie fördert nur die Schubladenproduzenten. Die Ursachen bestehen weiterhin, auch und gerade für Flüchtlingsströme.

Jeder vernünftige Mensch weiß, dass man bei einem Leck in der Wasserleitung zunächst das Wasser abstellt. Nun stellt man aber, übertragen auf die Situation der Geflüchteten in Europa, das Wasser nicht in Österreich, der Türkei, in Griechenland oder sonst irgendwo ab, sondern bei den Flüchtlingsproduzenten selbst, den Kriegstreibern, den Öl-Haien, den Waffenproduzenten und Waffenlieferern, den Weltbrandstiftern. Für mich beispielsweise ist keine Partei wählbar, die Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien oder die deutsche Teilnahme an Kriegen unterstützt.

Ebenso nicht wählbar und nicht tolerierbar ist für mich offener oder unter dem Deckmantel von Meinungsfreiheit und Protest einhergehender Rassismus. Beispielsweise widert mich in der Flüchtlingsdebatte der Verweis auf ‚gutgenährte, schwarze Männer‘ an. ‚Gut genährte, schwarze Männer‘ tun mir erst einmal nichts, gar nichts. Mir ist es auch gleichgültig, aus welchem Land sie zu uns kommen.

Mir ist aber keinesfalls gleichgültig, wie sie sich hier benehmen. Wer straffällig wird, ist zu bestrafen, dabei ist mir die Nationalität oder Hautfarbe vollkommen gleichgültig. Das geschieht nach deutschem Recht. Ist dieses deutsche Recht zu lasch, schlecht anwendbar oder eben unzureichend, muss man es parlamentarisch ändern, durch gewählte Volksvertreter. Das nennt man Rechtstaatlichkeit. Eine Gesetzgebung für bestimmte Gesellschaftsgruppen haben wir historisch schon hinter uns gelassen: das nannte man damals ‚Rassengesetze‘.

Auffallend für mich ist auch diese Scheinheiligkeit der Politik, die für mich darin besteht, scheinbar mehr Sicherheit schaffen zu wollen, in dem Wissen, dass es diese nicht geben kann. Die Zeiten haben sich geändert bei uns. Wir werden auf nicht absehbare Zeit mit Gefahren wie Terroranschlägen leben müssen, wie in anderen Ländern auch. Deutschland bildet eben keine Ausnahme mehr, denn Deutschland wirkt an Kriegen und Waffenlieferungen, an der Ausbeutung von Märkten mit. Ebenso scheinheilig wirkt auf mich das laute Getöse, andere EU-Länder müssten ebenso zur Flüchtlingsaufnahme bereit sein wie Deutschland, während man es unterlässt, diese Länder gleichzeitig wirksam unter Druck zu setzen.

Wenn Polen mitteilt, es nehme nur ein bestimmtes Kontingent an „katholischen“ Flüchtlingen auf, dann polarisiert diese Aussage zu einem „politisches Christentum“ . Wenn sich Ungarn einmauert und der EU die nationalistische Stirn bietet, sollten wir uns unbeeindruckt zeigen: no money, no fun.

Wenn Herr Erdogan glaubt, Journalisten verhaften zu müssen, im Parlament die Immunität von Abgeordneten aufhebt, das Volk nach der Todesstrafe ruft, dann ist das nicht EU-kompatibel: Ende der Verhandlungen.

Doch anstatt sich Abgeordnete aller Parteien im Bundestag sowie in der EU gemeinsam erheben, diskutieren diese über Sinn oder Unsinn von Sätzen, zeigen gegenseitig mit den Fingern auf sich, sind mit dem Futter für das jeweilige Stimmvieh beschäftigt oder beteiligen sich an der Produktion von Schubladen für Smartphone-Spieler oder Schlagzeilen-Junkies. In der freien Wirtschaft undenkbar, wenn es um Problemlösung geht.

Wenn der Sinn einer Partei dahin mutiert ist, das Kreuz auf dem Stimmzettel zu erhalten, findet keine Politik mehr statt, sondern Masturbation.

(c) Rolf Höge