Wenn Worte berühren

Heute erschien mein Gedichtband „Wenn Worte berühren – lebendige Gedichte“ bei epubli und  wird in spätestens zwei Wochen auch über Amazon zu beziehen sein. ISBN: 978-3-748520-38-2

Wie kam ich dazu, dieses Büchlein mit „lebendigen Gedichten“ zu veröffentlichen? Das erfahrt ihr  hier in meinem Vorwort aus dem Buch:

Mein Gedicht Wenn ich die Worte hätte steht Pate für den Titel dieses Buches. Die Zeilen entstanden in Bad Dürkheim, während eines Klinikaufenthaltes, bei dem ich mich von den Folgen eines medizinischen Eingriffes erholen musste.

An einem hellen Herbsttag saß ich um die Mittagszeit am Fenster meines Zimmers. Der weiße Vollmond thronte scheinbar zum Greifen nahe immer noch am wolkenlosen Himmel. Das war der Zeitpunkt, an dem dieses Gedicht entstand, es war auch der Moment, an dem ich beschloss, mich wieder auf das Schreiben und überhaupt auf kreative Momente abseits meines beruflichen Alltages zu besinnen.

Meine berufliche Tätigkeit, eingebettet in Nachtschicht und Wochenendarbeit, hatte über Jahrzehnte mein Leben bis zum Herzinfarkt und der sich daran anschließenden Operation bestimmt. Kreatives Schaffen war einem steten Kreislauf von Pflichtbewusstsein, Anstrengung und Schlaflosigkeit gewichen. Aber der weiße Mond am Tageshimmel zeigte mir an jenem Tag sinnbildlich, dass da etwas in mir ist, was sich wieder Geltung verschaffen wollte und was ich nicht einfach zur Seite schieben konnte.

Viele Jahre zuvor wirkte ich in Schreibwerkstätten und Literaturgruppen mit, veröffentlichte ein paar Texte in Anthologien und einer Mannheimer Tageszeitung, aber dann holte mich der Arbeitsalltag komplett ein, er überholte mich regelrecht und übernahm die Führung in meinem Leben.

Damals in Bad Dürkheim blieben mir noch fünf Jahre bis in den vorgezogenen Altersruhestand und noch weitere zwei Jahre bis in die Rente. Höchste Zeit also, mich nicht mehr so sehr mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, sondern sie eher als Warnung zu verstehen, mich wieder nach innen zu wenden, meinen kreativen Gedanken wieder Raum zu verschaffen. Vergangene Zeiten mahnen mich, doch will ich nicht in Zeiten fliehen, heißt es in einem meiner anderen Gedichte.

Ich kramte ältere Texte hervor, arbeitete sie erneut durch und wandte mich stetig wieder dem Schreiben von Gedichten und Kurzprosa zu. Schicht- und Wochenendarbeit führen weg vom allgemeinen kulturellen Leben. Wer aber am Leben teilhaben will, muss daran teilnehmen, darf nicht nur außen stehen, um die eigene Geschicke zu betrachten. In der Teilnahme erst fühlen wir uns lebendig. Mit jedem kleinen, kreativen Schritt, den ich heute gehe, spüre ich das mehr denn je.

Mit diesem Büchlein fasse ich einerseits Gedichte zusammen, von denen ich annehme, dass sie das Potenzial besitzen, zu berühren oder zumindest zum Nachdenken anzuregen. Andererseits möchte ich gerne auch zum Schmunzeln einladen. Diese Auswahl stellt einen Ausschnitt meiner persönlichen Teilnahme und Lebendigkeit dar.

Ich freue mich, liebe Leserin und lieber Leser, Ihnen auf diese Art begegnen zu dürfen.

Rolf Höge

 

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In mir brodelt ES

In mir brodelt ES. Ich habe mit ES gesprochen. Es sei nun mal so, meinte ES und außerdem sei ES das Brodeln ja vollkommen freigestellt. Brodeln käme übrigens ebenso wenig von Brot wie von Dellen. Ich würde ja auch freischreiben, meinte ES und niemand frage danach, von wem oder was ich mich befreien wolle. Ich ließ ES dann in mir alleine und dachte, brodele doch ohne mich. Wer bin ich denn, dass ich in mir mit mir brodeln lasse. / Rolf Höge

 

Wer weiß das schon

Wer sagt denn, etwas müsse so sein, wie es zu sein hat? Kennst du ein Gesetz, ein Regelwerk oder zumindest eine Gesetzmäßigkeit, die verbindlich festlegt, wie Dinge zu sein haben, damit sie so sind, wie sie zu sein haben?

Du willst, dass ich aufhöre zu philosophieren, weil du das nicht mehr hören willst, weil du nicht mehr diskutieren willst über die Dinge?

Es liegt doch auf der Hand, wie etwas ist, das weiß doch jeder, sagst du. Jeder weiß, wie etwas zu sein hat. Und wenn er es doch nicht weiß, dann kann er es ja lernen, wie es zu sein hat, meinst du. Und dann ist es eben so, wie es ist, und wahrscheinlich ist es dann auch so, wie es zu sein hätte, vorher und danach auch wieder, nachdem es dann gelernt wurde. Dann ist es wieder so, wie es zu sein hat.

Alles kann man lernen, auch wie die Dinge sind, kann man lernen. Das sieht man doch, das muss man nur annehmen, sagst du.

Vielleicht können aber nicht alle annehmen, wie es für dich zu sein hat, weil sie es anders beigebracht bekommen haben, wie etwas zu sein hat? Wie ist es denn dann, wie wäre es denn dann, wie hätte es denn dann so zu sein, wenn jemand sagt, etwas müsse so sein, wie es zu sein hat? Ist es dann so wie es ist oder wieder bloß, wie es zu sein hat? Wer weiß das schon, wenn niemand festgelegt hat, wie etwas sein muss, damit es so ist, wie es zu sein hat.

© Rolf Höge

Die Depressionsinsel

Heute trage ich sie zu Grabe. Heute, am Karfreitag, beende ich ihre Daseinsberechtigung. Gestern schon, als ich mir zugestand, dass ich mir ein neues Fahrrad wert sein darf, zeichnete sich ihr Ende ab.

Jahrelang leistete sie mir gute Dienste, war immer für mich da, wenn das Leben mit seinen Wogen über mich herein brach, mir mit Verletzung oder gar dem frühen Tod drohte. Sie richtete mich scheinbar auf, wenn ich Ablehnung erfuhr. Sie hüllte mich geborgen ein und verlangte mir kein Handeln ab.

Sie nährte meine Verlustfantasie, rechtfertigte die Dunkelheit um mich herum, die verschlampte Couch, die Schokoladenflecken, meine Fettleibigkeit und das nach Abwasch schreiende Geschirr in der Küche. Sie sorgte für mein schlechtes Gewissen, das mich stets wieder zu ihr führte. Sie war schneller als jedes Selbstwertgefühl, das in mir hochstieg, machte mir einerseits meine Winzigkeit bewusst und katapultierte mich andererseits nach jeder scheinbaren Niederlage in den Größenwahn. Hier war ich Opfer, hier durfte ich sein: auf meiner Depressionsinsel.

Ich trage sie heute zu Grabe und mit ihr das Opfer mit seinen Verlustfantasien. Dankbar gebe ich ihr das letzte Geleit. Sie zeigte mir die Schatten, ließ mich überleben. Sie stirbt für mich, als Vorbereitung auf die Lebendigkeit, die durch ihren Tod nun in mir auferstehen kann.

© rh

Gerne dürfen Sie sich auf meiner Homepage über meine Autorenlesung informieren.