Frauenheld

Ich hab’ mal ein Gedicht geschrieben,
dabei mir oft das Kinn gerieben,
habe mal leis‘, mal laut gedacht,
mir einen Reim darauf gemacht.

Ich trug es vor in meiner Kammer
mit sattem Ton, ohne Gejammer.
Grad wie ein richt’ger Frauenheld
in einer fabulösen Welt!

Warum sich niemand dran gestört?
Ich war allein – und nicht gehört.

© rh

„Meine Schreibe…“

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Im Café

Einen Katzensprung vom Büro entfernt sitze ich in dem gut besuchten Café an der Straßenecke vor einem Stück Sachertorte und meinem Schreibblock. Ich denke an meinen Bruder. Er starb 1995 an Leberzirrhose nach langer Alkoholkrankheit.

„Hoffentlich wirst du nie so wie dein Bruder.“, schallt es mir noch in den Ohren. Als kleiner Junge fühlte ich mich miserabel bei solchen negativen Äußerungen über Karlheinz, bedeuteten sie doch, man müsse sich eines solchen Bruders schämen, eines Trunkenboldes, der aber für mich mein bedauernswerter, lieber, Großer Bruder war. Ich hatte ja sonst keinen Großen Bruder. Nur Schwestern.

Fünfzig Jahre ist es nun her, seit meine Mutter mich mit dieser Angst, ich könne so werden wie mein Bruder, niederschmetterte.

Ich fing dann bereits mit sechzehn und damit zwei Jahre früher als mein Bruder mit dem Trinken an. Es folgten Kündigungen am Arbeitsplatz, zweimaliger Führerscheinentzug und meine Frau verließ mich mit der kleinen Tochter. Danach bedurfte es noch weiterer zwei Jahre exzessiven Trinkens und einer erneuten Kündigungsandrohung, bis ich endlich vor dem übermächtigen Alkohol kapitulierte und mit dem Trinken aufhörte.

Ängste wechseln das Mäntelchen, das sie umgibt.

Neunundzwanzig Jahre war ich damals jung und heute, sechsundzwanzig Jahre später, sitze ich nach einem überlebten Herzinfarkt und einer Bypass-Operation in diesem Café an der Straßenecke mit meinem Schreibblock und versuche, diese neue Form der Angst zu bewältigen: von plötzlichen Schmerzattacken heimgesucht zu werden und einer scheinbaren Hilflosigkeit ausgeliefert zu sein.

Ich schreibe über meine Angst vor plötzlichen Schwindelanfällen, über die Angst in Ohnmacht zu fallen, umgeben von inkompetenten Menschen, die mir vielleicht nicht schnell genug die erforderliche Hilfe bringen könnten, während ich bar jeder Handlungskompetenz meiner eigenen, vermeintlichen Unzulänglichkeit gegenüber stünde.

Ich mag diesen Platz hier am Fenster, die Tasse Kaffe, das Stück Sachertorte. Und ich mag das Schreiben, hier, umgeben von Menschen, einen Katzensprung vom Büro entfernt.

© rh

Joseph Mendels wandlungsgeladene Begegnung mit einem Rotkehlchen

Es begab sich aber zu einer Zeit, da die Großen auszogen, die Kleinen zu besiegen, dass ein gewisser Josef Mendel zuhause in seinem Sessel saß, die Pantoffel bewehrten Füße von sich streckte und einem Rotkehlchen lauschte.

Das Liedchen, das Rotkehlchen vor sich hin sang, erweckte seine Neugierde, denn Josef Mendel war der Vogelsprache, insbesondere der Rotkehlchensprache kundig.

Von Verdammten war da die Rede und von Schlafmützen, die nun endlich erwachen sollten. Außerdem bekämen diese Verdammten nichts zu essen, man zwinge sie zum Hungern.

Wo die wohl lebten, fragte sich Josef.

Rotkehlchen tirilierte munter weiter und so konnte Josef viel über ein mächtiges Feuer erfahren, dessen Glut tief im Innern eines Kraters brodelte, dass das Recht derer, die im Besitz dieses Feuers seien, nun zum Durchbruch dringen würde.

Oh, Josef Mendel gefiel dieses Liedchen immer mehr. Ergriffen hörte er von einem Signal, das an alle Völker der Erde ausgesandt würde. Eine letzte Schlacht solle geschlagen werden und die Rechte aller Menschen erkämpft..

„Das ist gut“, dachte Josef Mendel, und als er zudem erfuhr, dass in dieser Welt einige Müßiggänger lebten, die man einfach beiseite schieben solle, weil die Welt denen gehört, die das Rotkehlchen zu wecken versuchte, da ward dem Josef Mendel warm ums Herz.

Er stand auf, dankte dem Rotkehlchen und beschloss, gemeinsam mit den Kleinen auszuziehen, die Großen zu besiegen. Doch die Strasse war so leer…

(c) rh

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