Nach außen ‚hui‘, doch innen ‚pfui‘

Sie fliegen zum Mond, erobern den Weltraum, symbolisieren mit monströsen Bauwerken die Freiheit des Individuums. Sie stehen für Fortschritt, ernennen sich zum Ordnungshüter und implantieren der Welt ihre Vorstellung von Gerechtigkeit. Sie ignorieren den Aufschrei der westlichen Welt und stützen sich auf ein mittelalterliches Strafrecht, das Sühne und Rache postuliert. Von ihren verhassten Glaubensgegnern unterscheiden sie sich offensichtlich nur in der Wahl der Mittel: die einen werfen mit Steinen, die anderen setzen die Todesspritze. Nach außen ‚hui‘, doch innen ‚pfui‘.

(c) rh

feelin' free

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Joseph Mendels wandlungsgeladene Begegnung mit einem Rotkehlchen

Es begab sich aber zu einer Zeit, da die Großen auszogen, die Kleinen zu besiegen, dass ein gewisser Josef Mendel zuhause in seinem Sessel saß, die Pantoffel bewehrten Füße von sich streckte und einem Rotkehlchen lauschte.

Das Liedchen, das Rotkehlchen vor sich hin sang, erweckte seine Neugierde, denn Josef Mendel war der Vogelsprache, insbesondere der Rotkehlchensprache kundig.

Von Verdammten war da die Rede und von Schlafmützen, die nun endlich erwachen sollten. Außerdem bekämen diese Verdammten nichts zu essen, man zwinge sie zum Hungern.

Wo die wohl lebten, fragte sich Josef.

Rotkehlchen tirilierte munter weiter und so konnte Josef viel über ein mächtiges Feuer erfahren, dessen Glut tief im Innern eines Kraters brodelte, dass das Recht derer, die im Besitz dieses Feuers seien, nun zum Durchbruch dringen würde.

Oh, Josef Mendel gefiel dieses Liedchen immer mehr. Ergriffen hörte er von einem Signal, das an alle Völker der Erde ausgesandt würde. Eine letzte Schlacht solle geschlagen werden und die Rechte aller Menschen erkämpft..

„Das ist gut“, dachte Josef Mendel, und als er zudem erfuhr, dass in dieser Welt einige Müßiggänger lebten, die man einfach beiseite schieben solle, weil die Welt denen gehört, die das Rotkehlchen zu wecken versuchte, da ward dem Josef Mendel warm ums Herz.

Er stand auf, dankte dem Rotkehlchen und beschloss, gemeinsam mit den Kleinen auszuziehen, die Großen zu besiegen. Doch die Strasse war so leer…

(c) rh

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Sozialpartner

Bei uns im Betrieb gerade wieder sehr aktuell:

SOZIALPARTNER

Gestatten ?
fragte der Fuchs.
Selbstverständlich,
antwortete die Gans.
Wir sind ja Partner,
sagte der Fuchs.
Sozialpartner,
ergänzte die Gans.
Wir,
begann der Fuchs,
werden uns schon einig,
endete die Gans.
Dann drehte sie sich um,
die dumme Gans.
Da biß er zu,
der schlaue Fuchs.

© rh

Aus „Jenseis von Oggersheim“ (1987) Hrsg. Werkstatt Mannheim im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt.

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Anderssein

Neulich erschien er in roten Schuhen. Es lag nicht in seiner Absicht, damit aufzufallen. Er zog sich nun mal rote Schuhe an. Sie wollten ihn darauf ansprechen, unterließen es aber.

Manchmal schwiegen sie eben. Manchmal rieben sie auch einfach sein Gesicht mit Schnee ein oder klatschten seinen Kopf gegen die Türe des Klassenzimmers.

Und neulich ragten diese roten Schuhe unter der Decke hervor, und sie passten farblich so gut zu der Pfütze daneben.

 © rh

 

Hier eine kurze Erläuterung, damit ich auch verstanden werde.

Ja, es geschah „neulich“. Doch eigentlich geschieht es täglich, wenn auch nicht immer mit so einem Ausgang: das Ablehnen Andersdenkender, das Bewerten von Menschen nach ihrer Herkunft oder Religion. Auch das Zuschlagen, weil man den anderen nicht versteht und das Fragen nicht gelernt hat, die Interpretation „das muss falsch sein“, weil es nicht der eigenen Weltsicht entspricht .

Die roten Schuhe im Text sind ein Symbol für das Anderssein. Man kann rote Schuhe anziehen, einfach weil man ein Recht dazu hat, rote Schuhe anzuziehen. So wie man ein Recht dazu hat, rückwärts zu laufen oder auf Händen zu gehen. So wie eine Frau beispielsweise einen Minirock anziehen darf, ohne sich unterstellen lassen zu müssen, dass sie auf Wirkung aus wäre.

Jeder Mensch hat das Recht auf Individualität und aus dem Recht auf Individualität erwächst wiederum jedem Menschen das Recht auf Anderssein. Weshalb sollte er also Aufmerksamkeit erregen wollen, nur weil er in roten Schuhen erschien?

Er erschien neulich nun mal in roten Schuhen.

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Herr Westerwelle und der geistige Sozialismus

Es ist wieder einmal so weit: Monsieur Westerwelle, seines Zeichens Vizekanzler in einem freiheitlich, demokratischen Rechtsstaat, hat sich zu Wort gemeldet und das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Hartz IV- Sätzen als „geistigen Sozialismus“ kommentiert und damit seine Überforderung in einem Amt deutlich gemacht, in dem er einen demokratischen, sozialen Rechtstaat repräsentieren soll. Die Strukturen eines Sozialstaates scheinen zu vielschichtig für die einfache, in Polaritäten daher kommende Polemik des Herrn Vizekanzlers. Wer das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes als abzulehnenden „geistigen Sozialismus“ bezeichnet, teilt seine Denkstruktur nur in zwei Hälften auf: Kapitalismus gut – Sozialismus böse.

Nun mag die Entdeckung des Bösen im Sozialismus ein Indiz für den Weg des Herrn Westerwelles auf seiner Suche nach intelligenten Sprüchen sein, er wird diese Intelligenz jedoch weder bei seiner Partei noch in seinem Amt finden. Die Erfassung von komplexen Zusammenhängen in der Politik geht nun einmal über die Verbreitung polarisierender, antisozialistischer Parolen hinaus. Und unser Staat ist nicht darauf ausgelegt, Menschen in Ämtern durch die Anforderung an Denkstrukturen zu überfordern. Die Abwesenheit von Intelligenz ist da eben nicht einseitig bei den Hartz IV-Empfängern zu suchen.

Das Rechtstaatsprinzip wäre wohl gewahrt, wenn der Herr Vizekanzler sich zukünftig die Hand vor den Mund hält und sich etwas mehr mit dem Gedanken an Rücktritt befasst. Er könnte sich dann dem Studium sozialistischer Klassiker widmen, und versuchen, dem Bösen auf die Schliche zu kommen. Auf diesem Weg könnte er erfahren, dass er mit seinem „geistigen Sozialismus“ überhaupt nicht wusste, über was er da redete. Er könnte sogar zu der Einsicht gelangen, dass es ihm mit diesem Ausspruch nur darum ging, den Applaus aus einer Gesellschaftsschicht zu bekommen, die zwar weiß, wie man Murks schreibt, aber nicht Marx, und die mit Sicherheit von diesem Herrn Marx noch keine einzige Zeile gelesen hat, und die – wie wohl auch Herr Westerwelle – davon ausgeht, eine Diktatur wie die Ex-DDR könne man getrost als sozialistisch und als Aushängeschild für den Sozialismus bezeichnen.

Welch fataler Irrtum! Ich werde ja auch nicht zu einem Auto, wenn ich „Tuut“ schreie und über die Strasse renne. So wurde auch der „real existierende Sozialismus“ nicht automatisch zum Sozialismus, weil die Staatsführer ihn so benannten. Nicht einmal zu einem geistigen.

© rh