Anderssein

Neulich erschien er in roten Schuhen. Es lag nicht in seiner Absicht, damit aufzufallen. Er zog sich nun mal rote Schuhe an. Sie wollten ihn darauf ansprechen, unterließen es aber.

Manchmal schwiegen sie eben. Manchmal rieben sie auch einfach sein Gesicht mit Schnee ein oder klatschten seinen Kopf gegen die Türe des Klassenzimmers.

Und neulich ragten diese roten Schuhe unter der Decke hervor, und sie passten farblich so gut zu der Pfütze daneben.

 © rh

 

Hier eine kurze Erläuterung, damit ich auch verstanden werde.

Ja, es geschah „neulich“. Doch eigentlich geschieht es täglich, wenn auch nicht immer mit so einem Ausgang: das Ablehnen Andersdenkender, das Bewerten von Menschen nach ihrer Herkunft oder Religion. Auch das Zuschlagen, weil man den anderen nicht versteht und das Fragen nicht gelernt hat, die Interpretation „das muss falsch sein“, weil es nicht der eigenen Weltsicht entspricht .

Die roten Schuhe im Text sind ein Symbol für das Anderssein. Man kann rote Schuhe anziehen, einfach weil man ein Recht dazu hat, rote Schuhe anzuziehen. So wie man ein Recht dazu hat, rückwärts zu laufen oder auf Händen zu gehen. So wie eine Frau beispielsweise einen Minirock anziehen darf, ohne sich unterstellen lassen zu müssen, dass sie auf Wirkung aus wäre.

Jeder Mensch hat das Recht auf Individualität und aus dem Recht auf Individualität erwächst wiederum jedem Menschen das Recht auf Anderssein. Weshalb sollte er also Aufmerksamkeit erregen wollen, nur weil er in roten Schuhen erschien?

Er erschien neulich nun mal in roten Schuhen.

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Autor: Rolf Höge

Dieses Blog begleitet meine Homepage www.rolf-hoege.de - Laienautor nenne ich mich hier, weil ich nicht vorrangig schreibe, um damit Geld verdienen, sondern eher als Laie meine Texte produziere und vorstelle. Wenn ich schreibe, male oder gestalte, bin ich in Kontakt mit mir und dem, was in mir ist. Ich erlebe dies als etwas sehr Persönliches und bin durchaus geneigt, diese Prozesse als meine individuelle, spirituelle Erfahrung zu bezeichnen. Ich bin Mitglied im Literarischen Zentrum Mannheim "Die Räuber 77", Mitglied in der Künstlergruppe "fx - fundus artifex", Mitglied im "Künstlerverein Bürstadt".

6 Kommentare zu „Anderssein“

  1. Sehr gut dieser Text und vor allem lobe ich mir das Recht auf Individualität und Andersartigkeit. Bei den roten Schuhen hätte ich doch Zweifel, ob der Papst mir dieses Recht zugestehen würde? (kleiner Zynismus) Was mir sehr gut gefällt, ist das man das Fragen nicht gelernt hat; ein wichtiger Punkt, auch für jede Kommunikation ist zu fragen: warum machst du das. Oft muss man ein bisschen provozieren, damit man überhaupt gefragt wird, meinst du das ernst?

    Lieben Gruß
    Manfred

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    1. Ja, das Fragen wurde nicht gelernt. Aus diesem Grund „unterließen sie es auch“ ihn anzusprechen, blieben in ihrem scheinbar sicheren Verhaltensmuster.

      Der Text steht normalerweise ohne Erläuterung. Sie schadet aber auch nicht.

      Vielen Dank für deinen Kommentar:-)

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