…’Lege deinen Kopf in meinen Arm,‘, möchte ich zu ihm sagen, ‚es gibt nichts zu tun, fange an zu erzählen und wenn es dir gut tut, dann weine.‘
Seit Stunden liege ich wach und denke an meinen Sohn. Nicht an den erwachsenen Sohn, der Häuserwände beschmierte, in Kaufhäusern Parfum stahl, um es an der nächsten Straßenecke zu verkaufen für den nächsten Joint, oder ein bisschen Heroin. Nicht den Sohn, der den Vater so oft belog, kein Versprechen einhielt, wiederholt Suchttherapien abbrach und konsequent den Weg in die Gefängniszelle ging.
An mein Kind denke ich, das ich immer in mir trage an jenem Ort tief in meiner Seele, den ich nicht zu benennen vermag und der so voller Kraft ist und Geborgenheit, dass sich mein Kind dort ausruhen kann, auch wenn sich Eisentüren hinter ihm schließen und die Verletzungen, die es mir zufügte, jetzt gerade brennend nach dieser Flüssigkeit schreien, mit der ich den Schmerz betäuben und ihm für eine Weile entfliehen könnte. Flucht, welch hässliches Wort, doch wie erleichternd für den Moment. Doch der Saufdruck entpuppt sich als ein lediglich vorbeihuschender Gedanke, nicht wert, länger als die Dauer eines aufflammenden Blitzlichtes bei mir zu verweilen.
‚Ruhig, ruhig mein Sohn, schlafe wieder, lege deinen Kopf in meinen Arm und schlafe weiter.‘ – Wo ist der Vater für mich, der einfach nur für mich da gewesen wäre? Mutter, wo bist du? Ich möchte mich einfach nur ausruhen, nur ausruhen. Nein, keine Worte, Mutter, nicht schon wieder Worte, die erklären, was ich nicht auch schon weiß, nicht wieder diese hilfsbereite Erbarmungslosigkeit.
Diese Nacht! Wenn die stummen Schreie in mir gehört werden, kann ich vielleicht endlich loslassen. Dieses zwanghafte Umklammern meiner Gedankenströme. Wie sehr ich mich aus der Einsamkeit heraus wünsche. Keine Kälte mehr, nur warmes Verlangen nach mir, nach dem einzigen Vertrauten. Ihr seid ja alle so weit weg, doch wolltet ihr näher kommen, ich wüsste es zu verhindern.
Ich bin stumm. Und die Nacht schreit so laut, dass ich nicht schlafen kann.
Manchmal gibt es eine stumme Übereinkunft, ein gegenseitiges Wissen. Manchmal, ja manchmal ist es auch wichtig zu hören: ‚Du – ich hab‘ dich lieb.‘
Gerade dann, wenn alles durcheinander läuft…
(rh)
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