Mit staunenden Augen muss ich geschaut haben, als mein Vater die große Wand im Wohnzimmer tapezierte: Eine ganze Wand voll mit Segelschiffen, die schnurstracks in ihre kleinen Fischerhäfen einliefen. Die Abenddämmerung lag über den Häfen und mir war als könne ich zwischen den Fischerhäuschen und den Segelschiffen spazieren gehen.
In den Wintermonaten lag ich oft auf unserer Wohnzimmercouch, eingehüllt in die behagliche Wärme des eisernen Kohleofens in der Zimmerecke, der stets dafür sorgte, einen klitzekleinen Geruch von verbranntem Feuerholz und Russpartikeln in meine zehnjährige Nase ziehen zu lassen und betrachtete die neue Tapete. Im Geborgensein der Nachmittagsstille lud sie mich ein, in eines ihrer aufgedruckten Boote zu steigen, Abenteuer zu ersinnen um dann endlich müde, aber zufrieden wieder in einem der stillen Häfen vor Anker zu gehen. Doch meistens war ich schon eingeschlafen, bevor mein Segler den Heimathafen erreicht hatte.
Meine Abenteuertapete musste irgendwann einer Mustertapete mit bunten Kringeln weichen. Und so wagte ich meinen Ausblick hinaus in die große, weite Welt nicht selten durch einen Roman aus der Leihbücherei, in dessen fabulöse Handlung ich dann stets versank, wenn ich nachmittags nach der Schule auf meiner Couch ruhte. Doch schon nach dem Genuss einiger Seiten in dieser anderen Realität, begannen sich meine Augenlider dann zu senken und ich driftete mit geschlossenen Augen in eine meiner vielen Phantasiegeschichten ab, deren Ausgang ich nur sehr selten erlebte. Meistens schlief ich schon zu Beginn meiner Phantasterei entspannt und zufrieden ein.
© rh
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Hallo 🙂
Dieser Beitrag von dir rief auch bei mir gerade eine Erinnerung wach…
Ich muss wohl so ungefähr 6-7 Jahre gewesen sein, wir wohnten damals bei meinen Großeltern im Haus. Im Treppenhaus gab es eine Art „italienisch-venezianische“ Tapete 🙂
Oft bin ich auf den Treppenstufen gesessen wenn niemand mich stören konnte, stieg in meiner Fantasie in die kleinen schwarzen Gondeln ein und lies mich von ihnen auf wogenden Wellen an den wunderschönen Palästen vorbei tragen… ich sah das Blau des Wassers mit kleinen weißen Schaumkronen darauf… roch das Wasser förmlich, genoss die Sonne auf meiner Haut und den Duft des Sommers … 🙂
Zwischen den einzelnen „Szenen“ standen junge Frauen in süßen Kleidern in allen Farben des Regenbogens mit Petticoat darunter, zierlichen Schuhen an den Füssen und kleinen bunten Handtaschen in der Hand… einfach nur schööön 🙂
Tja, so bin ich gerade eben mal wieder in Kindheitserinnerungen spazieren gegangen, mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Somit Danke für deinen Eintrag der mir den eh schon sonnigen Sonntagmorgen durch meine Erinnerung noch mehr versüsst hat.
Ich wünsche dir einen guten und sonnigen Tag,
*Shari*
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Ja, so fühlt man sich dabei-) Schön, dass ich dich mit menem Text in Kindheitserinnerungen entführen konnte.
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