vorm weihnachtsbaum

zerborsten längst der süße traum

den ich geträumt

vorm weihnachtsbaum

als glöckchen klangen

und kinderstimmen

schrille sangen

von fröhlichkeit, von seligkeit

von demut und von dankbarkeit

 

als staunend ich zu vater blickte,

der lächelnd, wissend zu mir nickte:

schau, durchs fenster musst‘ es wieder gehen

das christkind

still und ungesehen

ein lichtlein hat es angezündet,

dass wohl das kind zum baume findet

 

hast, vater,

stets die illusion genährt –

doch später

mich vernunft gelehrt

so musst‘ zerbersten jener traum

den ich geträumt

vorm weihnachtsbaum

 

doch was ich tief im herz‘ getragen

will ich zur weihnachtszeit

nun einmal wagen

zu träumen einen neuen traum

so wie als kind

vorm weihnachtsbaum

ich träum‘ davon,

dass wenn ich gehe,

ich dann das christkind

doch noch sehe.  /rh

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New York im Winter

.

Ich streife gerade durchs Netz. Auf der Suche nach einem verwertbaren Text. Nein, natürlich kein Textklau. Aber es gibt so viel Rohmaterial an Reimen und Geschichten in manchen Internet-Foren. So wie jenes Gedicht, auf das ich zuerst stoße, und in dem zum millionsten Mal Liebeskummer und Einsamkeit abgehandelt wird. Es strotzt vor Originalität und springt mir direkt ins Auge:

‚du bist fort – an einem anderen Ort’, beginnt es. –

Wo sollte sie denn sonst sein? Wenn sie weg ist, wenn sie fort ist, dann ist sie an einem anderen Ort. Okay, es hätte noch schlimmer kommen können. Beispielsweise hätte der Autor zwischen ‚fort’ und ‚Ort’ noch ‚dort’ einfügen können. Dann ist die Liebste, um die es geht, nicht nur fort, sondern auch dort, an jenem anderen Ort.

Zwanghaftes Reimen soll ja in manchen Kreisen schon als anerkannte Krankheit gelten, für die es aber noch keinen Arzt zu geben scheint, jedenfalls nicht in diesen Foren.

Ich entnehme aus dem Reimen-um-jeden-Preis-Satz lediglich das „Du“, für mich das einzige Verwertbare an diesem Reim.

Auf meinem weiteren Streifzug durch einschlägige Schreibforen, in denen zwar jeder jeden kennt, aber niemand wirklich jemanden, ziehe ich vorbei an der sich ständig wiederholenden Frage ‚hat schon jemand mal etwas veröffentlicht?’ und stolpere dann über den nächsten Satz aus einem ‚Wintergedicht’. Muss ja wahnsinnig interessant sein, ein Wintergedicht zu schreiben. Überhaupt ziehen die Jahreszeiten manche Schreiber direkt in ihren Bann. Klar, Millionen Leser interessieren sich für Urlaubslektüre in Form von Jahreszeiten-Gedichten am Strand von Teneriffa.

Also gut, her mit dem Satz: „Der Winterwind wirbelt die Schneeflocken hoch“. Okay, mit der Flocke, dem Schnee und dem Wind ließe sich experimentieren. Du, Flocke, Schnee und Wind, notiere ich jetzt. Aber wenn schon Winter, dann nicht unbedingt der idyllische Winter mit schneebedeckten Bäumen und Hängen, Schneeflöckchen und Schlittenfahrten. Nein, ein besonderer Winter muss her. Okay, New York kommt gut. Man sieht ja oft im Fernsehen, wie die Obdachlosen sich über den selbst gebastelten Kohleöfen die Hände wärmen. Mal sehen, was ich daraus dichten kann:

New York im Winter

Es wirbelt die Flocke

im Winterwind

und Du verkaufst Schnee,

wirst reich geschwind.

 

Hast du keine Flocken,

bläst kalt rein der Wind,

dann hoff’, dass im Schnee

dich ein Dealer find‘.

 

Dann wirbelt’s dich hoch

wie die Flocke im Wind,

weil im Winter die Dealer

so großzügig sind.

 

Fertig und ab damit ins Forum. „Find’ ich gut, auch mal etwas Sozialkritisches hier zu lesen“, heißt es in einem Kommentar.

Und ich denke: ‚Manchmal, da tut es echt weh, nicht verstanden zu werden. ‘ (c) rh

 

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Kritik: ja – Hetze: nein! (in eigener Sache)

Sogenannte ‚besorgte Bürger‘, Patrioten mit negativer Blickrichtung auf Geflüchtete, sind für mich nicht gleichzusetzen mit Islam-Kritikern. – Da wird Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz hinter dem Mantel der Besorgnis und Kritik versteckt. Da wird Freiheit, insbesondere die Meinungsfreiheit schändlich für politische Zwecke benutzt. Am Rande von Straftatbeständen spielend, kokettiert man mit der freien Meinungsäußerung. Mehr braucht man nicht vom Grundgesetz.

Nahezu widerlich finde ich es, wenn solche Verbrechen wie in Paris für dieses rechte, abscheuliche Weltbild benutzt werden, um offen weiter gegen Flüchtlinge und Ausländer zu hetzen, wenn aus unfassbarem, wahllosem Morden, auf dem Rücken so vieler Opfer politischer Gewinn heraus geschlagen werden soll, um Wählerstimmen am rechten Rand abzufischen. – Kritik an Religion: ja, Hetze: nein! –

Mit Kritikern kann man diskutieren, man hat beidseitig die Chance, seine Meinung unter Umständen zu revidieren. Wirklich besorgte Menschen kann man ernst nehmen, mit ihnen über Realität und Interpretation sprechen, sie hören in der Regel auch zu, und man kann von seinen eigenen Befürchtungen berichten. Mit Hetzern aber und denjenigen, die nur Bestätigung für ihre vorgefasste Meinung suchen, lässt sich nicht diskutieren. – Das erlebe ich in zunehmender Weise fast täglich, privat und beruflich. –

Für mich ist ein fester, ethischer Standpunkt wichtig, um mich weder vom abendländlichen noch vom orientalischen Regligionsgefaßel einfangen zu lassen. Menschlickeit lässt sich nicht in ein religiöses oder ‚abendländliches‘ Korsett stecken. Das Streben nach einem freiheitlichen und selbstbestimmten Leben muss für alle Menschen gelten.

Rolf Höge

Proud Mary kocht was Gutes

Du denkst an nichts Schlimmes und da steht sie plötzlich vor dir. Nicht so wie du sie von früher kennst, nein, sondern mit satten Rundungen um die Hüften, kurz geschnittenem Haar und einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Kennst du mich noch?“, säuselt sie. Weshalb sollte ich sie nicht kennen. Ich hatte sie ja angebetet, damals in der siebten Klasse. Wie sie während des Englischunterrichts immerfort mit ihrem langen, gewelltem Haar spielte, mit ihren strahlenden Augen lachte, und wie sie durch ihre zum angehenden Weibe erwachten Figur Signale an alle Jungs der Welt aussandte, wenn sie im Pausenhof zu Proud Mary von Tina Turner tanzte.

„Die Hanna!“, sage ich und reiche ihr die Hand.
Statt mir die Hand zu geben, tätschelt sie sich leicht die Hüften.
„Ja, die Hanna“, meint sie, “und mit den Jahren bin ich ein wenig rundlich geworden. Meine gute Küche, sagt mein Mann. Du hast dich aber kaum verändert.“
„Och, ja“, heuchele ich Verlegenheit. “Bin auch älter geworden. Was machst du so?“
„Verheiratet, zwei Kinder und eine Enkelin.“
„Toll.“
„Ja, toll. Die Kleine kommt jetzt schon bald in den Kindergarten. Und du?“
„Zweimal geschieden, aber auch Kinder.“
„Musst du zahlen?“
„Nein, für die Kids nicht mehr, aber für die Ex immer noch. Die ist krank.“
„Aha. – Na ja, melde dich doch mal. Kannst ruhig mal vorbei kommen. Ich koche uns auch was Gutes. Dann lernst du auch mal meinen Mann kennen.“

Als sie weggeht, schaue ich auf ihre Hüften, die Beine entlang bis hinunter zu ihren dunkelblauen, flachen Schuhen, in denen sich ihre mir breit erscheinenden Füße verstecken, um Schritt für Schritt vor sich hin zu tapsen. Da ist nichts mehr von Weiblichkeit, keine Tina Turner für pubertierende Jungs. Da schwingen keine subtilen Aufforderungen mehr mit den Hüften, da wurden die siebziger Jahre abgeschüttelt als hätten sie nie existiert, und alle Frauenpower verpufft in der traditionellen Mama, Hausfrau und Oma.

Ihren Mann kann ich kennen lernen, sagte sie, und sie koche auch was Gutes.

‚Oh, Hanna‘, denke ich, ‘wann hast du nur kochen gelernt? ‘

© Rolf Höge

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Hauptsach eensachtzisch groß

Hauptsach eensachtzisch groß un in dä Laag, Laminat zu verlege. Mehr erwart se net, die modern, Rollebilder ablehnende Fraa mit Höheverschiebung im Blick. In so ähner Beziehung uf Augehöh därf donn schun mol äh Steigung däbei soi, damit se schää nuff gucke konn, wenn er mol widda fremdgonge is. Un wenn er dodävu donn noch verschwitzt äh Bierflasch halte konn, wirkt er sogar noch rischdisch sexy

Hauptsach eensachtzisch groß un in dä Laag, Laminat zu verlege.

Natierlisch schoint bei aller Greeß donn aah wischdisch, dass der Ausgewählte sich selwer gegeiwer ufgschlosse is und Gfühle zeige konn.

Gfühle! – Himmel nochemol, Ärger is kee Gfühl, he? – Ärger is sogar ä sattes Gfühl, meine Damen, awwer sowas vun satt!

„Des is Dominonz, des is Machtohschpruch.“ meent se donn, die Isch-wees-was-isch-will-Fraah. „Also sei still und verleg weiter Laminat“.

Mensch, was hab isch die Nas voll. Isch konn’s nimmer heere. Immer des Gleiche Beuteschema und donn schdändisch des Gejommer. Awwer Hauptsach eensachtzisch groß. Als durchschnittlicher Wissenslewwel vun dem Riese reicht’s schun aus, wenn er wees, dass ä Buch aus bedruckte Seite beschteht. Mehr braucht er ja ah net zu wisse fers Laminatverlege. Lese muss der Zukünftische bloß om Laptop kenne.

Escht, Leit, isch konn des Piense nimmer mehr heere. So isses halt ämol: wenn Fraa immer des Gleiche sucht, kriegt se halt ah des, was se schun immer kriegt hot.

Un donn sin do noch die onnere ‚feminine Gschöpfe‘ mit normaler Blickrichtung, fer die so maskuline Adribuhde nebesäschlisch sin: die Mütter.

Himmel, was sin in dere Welt Mütter unnerwegs, die ständisch Ziehsöhn suche. Sie wolle der die Welt erkläre, wisse gonz genau, was fer disch rischdisch un gut is. Wenn ämol än Schwoinshaxe verdrickt hosch un mit ä paar Gromm mehr uf de Rippe durch die Gegend wackelscht, rote se der, die Schilddries unnersuche zu losse, denn bei dä Ilse, dä Gerda oder dä Erna war des ähnlisch und hot iwerhaupt nix mit dene unzählische Sahnetorte zu tu ghabt.

Isch frog misch, wie isch iwerhaupt hab so alt werre könne. Isch weeß jo gar nix. Isch bin iwerhaupt net lebensfähig in derre schrecklische Welt: „Lasset die Mütter zu mir kommen…“

Isch hab uf des alles keen Bock mehr. Mittlerweil bin isch single-gebildet durch moin männlische Single-Haushalt mit eener Single-Erfahrung, die mer kee Mutter der Welt mehr wegnehme konn. Isch weeß jetzt, dass Biggelwäsch im Schronk ned schimmelt un sehr long lagerfähisch bleibt. Durch Fenschterscheiwe konn mer immer durchgucke, ah wenn se dreckisch sin. Un wenn du durchs Küschefenschter sowieso bloß uf die Hauswond vum Nachbar guckscht, reicht des, wenn du dich zweemol im Johr mit dene Scheibe befasst. – Un wenn du nach sechs Woche die Wohnung putze tust, werd’s genauso sauwer, als tätscht du des jeden Tag mache, dauert bloß ä bissl länger. Die Zeit hoscht awwer vorher schun durch Nixmache locker roi gholt.

Isch hab halt keen Bock mehr uf Verschtehe, uf Verschdäntnis, uf Emphadie. Isch konn des Gejommer nimmer heere.

Suche? Wer sucht n do wen? Isch such nix! Un vorallem werb isch net um irgendwelche Gunscht. Isch bin weder än Jäger noch än Minnesänger, der ähni im Elfebeeturm bezirze will. Wenn sich irgend ähni der ‚Holden‘ fer misch intressiert, soll se die Hond strecke. Zeig disch! Isch bin nämlich keen Hellseher!
Wenn isch iwerhaupt was such, donn genau die hochgschtreckte Händ. Wobei diejenische, die misch wege ihrer Blickverschiebung die gonz Zeit iwersehe hawwe, gern die Finger unne losse därfe. Es schtehe genug Laminatverleger bereit, die ins Beuteschema passe. Mol so newebei: solle jo eigentlisch die Männer soi, die immer bloß ‚das Eine‘ wollen und suchen.

Isch konn’s nimmer heere, des Gschwätz, des jämmerlische Laminat…, Laminatier… Lamentieren. –

Ou….ou…isch muss raus do, raus aus dem Badezimmer! Des is doch ned normal, das isch seit gut eener halwe Schdund moi Spiegelbild ohkeif und mir selwer ähn Vortrag halt.

Außerdem betrifft misch des jo ah gar net: isch – hab ‚Teppichbodde‘.

© Rolf Höge

Mit Mundart, Mannheimer Dialekt, besser gesagt ‚Monnemerisch‘ bewege ich mich auf einem für mich neuen Feld.Gerne baue ich solche Texte in meine Autorenlesung ein.

Angst

Vorrübergehend außer Gefecht gesetzt. Vorrübergehend, weil es ja wieder besser werden kann. Alles bleibt außen vor, abgeschottet von der Welt, zurückgezogen in sich selbst mag er nur entfliehen.

Diese verdammten Tabletten, ein ganzes Chemiewerk, was er da täglich in sich hineinstopfen muss. Der Nutzen überwiegt die Nebenwirkungen, meint der Arzt. Wieder diese Schmerzen, den Weg bahnend für die Angst, die ihn gefangen hält. Je mehr er entfliehen will desto stärker kreisen die Gedanken um diese Angst, fokussieren sie, machen sie mächtig und groß bis sie seinen Körper kontrolliert.

Diese vielen Ratschläge. Nach vorne schauen, die Zukunft gestalten. Und er spürt diese Fesseln, die das Wissen am Handeln hindern und weiß nicht, wann er sich die angelegt hat. So invalid, so versehrt fühlt er sich nach diesem Eingriff, so vollkommen ohne Einfluss, so unvorbereitet hart konfrontiert mit seiner Endlichkeit.

Aufstehen, sagt er sich, aktiv sein, nach vorne schauen und Licht erzeugen in dem Grau, an das er sich klammert, weil Grau immer noch lebendiger ist als tot.

Nichts ist mehr wie früher. Ein Herzinfarkt und dieser Bypass bringt ihm die Sorglosigkeit der Vergangenheit nicht wieder zurück. Da war jemand in seinem Körper und damit lebt er nun, zumindest heute.

© rh

Ist das Kunst?

Ob es Kunst ist, was ich erschaffe, fragte mich vor kurzem ein Kollege. Ich zuckte die Schultern, denn tatsächlich habe ich keine Ahnung, ob das, was ich da ab und an kreiere, die studierte Fachwelt als Kunst bezeichnet, nicht einmal, wer zu dieser sogenannten Fachwelt zu zählen ist.

Schreiben, wenn mir danach ist, abstrakt malen, wenn mir danach ist, texten und singen, wenn mir danach ist. Eindrücke aufnehmen, verarbeiten daraus etwas Neues schaffen, womit der eine etwas anfangen kann der andere vielleicht weniger. So ungefähr läuft das ab.

Mir steht ein Gehirn zur Verfügung, das Prozesse wie ein Computer verarbeitet. Die Software, die verwendet wird, enthält meine Fähigkeit, zu produzieren sowie meine inneren Glaubenssätze, frühe Prägungen und meine Wahrnehmungsfilter, auf denen sich der Verarbeitungsprozess aufbaut. – Das ist schon alles. / rh

Hand-Zeichnung

Ich lade Sie gerne ein, auch meine Homepage zur Autorenlesung zu besuchen.

Vun de Sunn

Vun de Sunn
ded isch gern schreiwe,
vun de Sunn.

Vun
de Lederhosse,
vum Barfusslaafe,
vum Zitroneeis
uffm Bodde.

Vun de Sunn
muss isch schreiwe,
vun de Sunn.

Wie se gonnge is
nach jeder Ohrfeig,
wie se mer gfehlt hot
mit de Flasch am Hals

Vun de Sunn
ded isch so gern schreiwe
vun de Sunn.

Wie se widder uffgonge is,
vum Noiblinzle,
vum Kopp on moiner Schulter:
so rischdisch alles

Ja, vun derre Sunn
will isch schreiwe,
weil se widder schoint –

jetzt
iwwer dir
iwwer mir.

© Rolf Höge

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